Geschenktipps zu Weihnachten

Werner Plumpe, Frankfurt/M.


1. James Boswell: Journal. Ausgew., übersetzt und herausgegeben von Helmut Winter, Stuttgart 1996 und öfter (Philipp reclam jun.)

Boswells Tagebuch reicht vom Herbst 1762 bis zu seinem Tod 1795. Es ist nicht nur ein literarisches Meisterwerk der Selbstdarstellung, sondern ein vorzüglicher Zugang zur geistigen und Alltagswelt der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der erste Teil umfasst einen ausführlichen Bericht seiner Reise auf den Kontinent; geradezu köstlich hierin die Schilderung seines Besuches bei Rousseau in der Schweiz, aber auch die Alltagsbeobachtungen zum Leben in Deutschland kurz nach dem Siebenjährigen Krieg. Im zweiten Teil schildert Boswell, der Eckermann von Samuel Johnson, sein Leben in London und Schottland in aller wünschenswerten, wenn auch meisterhaft inszenierten Offenheit.

2. Salvatore Bono: Piraten und Korsaren im Mittelmeer. Seekrieg, Handel und Sklaverei vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Stuttgart 2009 (zuerst ital. 1993) (Klett-Cotta)

Bonos Darstellung der mediterranen Piraterie ist eine der seltenen, jüngeren Gesamtdarstellungen des Seeraubs im Mittelmeer im Rahmen des christlichen-muslimischen Kampfes um die Seeherrschaft insbesondere im westlichen Mittelmeer zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert. Anschaulich werden die Barbareskenstaaten und die Ritterorden geschildert, die Bootstypen und Kampftechniken erläutert und der Alltag der Piraten und ihrer Opfer veranschaulicht. Das Buch ist eine Sammlung von Anekdoten und Geschichten, durch die es spricht. Der Seeraub wird an Beispielen gezeigt, weniger analysiert und verglichen.

3. Hans Sahl: Memoiren eines Moralisten. Das Exil im Exil, München 2008 (Luchterhand)

Hans Sahl (1902-1993), zweifellos eine der größten Begabungen des Weimarer Feuilletons, von den Nazis erst ins französische, dann in das amerikanische Exil gezwungen, gibt in seinen Erinnerungen einen tiefen Eindruck in das Weimarer Kulturleben und die Welt des Pariser Exils, immer ironisch-distanziert, nie politisch verstrickt. Geradezu vorzüglich Sahls Nonchalance im Umgang mit seinerzeitigen literarischen Größen wie Emil Ludwig, dem er auf dessen Frage, was seine Arbeiten heute der deutschen Jugend bedeuteten, schlicht antwortete: Nichts!

4. Ronald Findlay / Kevin H. O'Rourke: Power and Plenty. Trade, War, and the World Economy in the Second Millenium, Princeton 2007 (Princeton University Press)

Das neu erschienene Standardwerk zur Geschichte der Weltwirtschaft, das diesen Titel wirklich verdient und nicht nur eine erweiterte Geschichte der weltwirtschaftlichen Bedeutung Europas und Nordamerikas ist.

Und schließlich:

5. Felix Pinner: Die großen Weltkrisen im Lichte des Strukturwandels der kapitalistischen Wirtschaft, Zürich und Leipzig 1937 (Max Niehans Verlag)

Felix Pinner, ins Exil gezwungener Wirtschaftsjournalist unter anderem der Weltbühne, kann bis heute als Inbegriff eines wissenschaftlich, vor allem wirtschaftshistorisch gebildeten und distanziert schreibenden Wirtschaftsberichterstatters gelten. Stilbildend waren seine Skizzen deutscher Unternehmer aus der Weltbühne, die 1924 unter dem Titel "Deutsche Wirtschaftsführer" gesondert erschienen. In der hier empfohlenen, bis heute unübertroffenen Übersicht über die Krisen der kapitalistischen Welt bis zur Weltwirtschaftskrise von 1929ff gelingt ihm ein subtiles Portrait des Kapitalismus, das ohne vermeintliche bolschewistische oder faschistische Alternativen auskommt, aber auch nicht in Kulturpessimismus verfällt.