sehepunkte 8 (2008), Nr. 12

Heiko Wartenberg (Bearb.): Archivführer zur Geschichte Pommerns bis 1945

Wer sich mit der Geschichte Pommerns vor 1945 beschäftigt und dabei auf der Suche nach archivalischen Quellen ist, wird schnell die besonderen Schwierigkeiten kennen lernen, die sich damit verbinden. Das "Land am Meer" war zwar seit dem Spätmittelalter eine relativ feste geographische Größe, zunächst unter der Herrschaft der einheimischen Greifenherzöge, dann als Teil des schwedischen respektive brandenburg-preußischen Gesamtstaates und schließlich ab 1815 bis 1945 als preußische Provinz.

Aus der äußeren Herrschaftsgeschichte Pommerns ergibt sich die Diffusion der historischen Schriftquellen, zumal auch die Anrainer Pommerns immer wieder territoriale Begehrlichkeiten zeigten. Somit finden sich Spuren der pommerschen Geschichte auch anderweitig, beispielsweise in Dänemark. Doch damit nicht genug: Die einschneidenden territorialen Veränderungen des Jahres 1945 in Ostmitteleuropa haben auch gerade Pommern und dessen archivalische Überlieferung in besonderem Maße betroffen. Konzentrierte sie sich bis zum Zweiten Weltkrieg wie überall in den preußischen Provinzen auf das Staatsarchiv der Provinz, hier in Stettin, so verteilt sie sich seitdem auf die beiden Nachfolgeeinrichtungen, das im alten Stettiner Archivgebäude untergebrachte polnische Staatsarchiv Stettin (Archiwum Państwowe w Szczecinie) und das 1946 neu begründete Landesarchiv Greifswald.

Wie fast alle deutschen Staatsarchive hatte auch das Stettiner Haus seit 1942 seine wichtigsten Bestände ausgelagert. Hauptsächlich verbrachte man das Archivgut außer in die Bergwerksstollen bei Grasleben (nördlich von Helmstedt in Niedersachsen) auf verschiedene Güter in Vor- und Hinterpommern. Dabei wurden absichtlich größere Bestände geteilt und zu verschiedenen Auslagerungsorten gebracht. Nach Kriegsende entschied die Lage des jeweiligen Auslagerungsortes darüber, welche der beiden Nachfolgeeinrichtungen das dort verwahrte Archivgut übernahm. Das brachte natürlich zahlreiche archivfachliche Ungereimtheiten mit sich und zerriss vielfach zusammenhängende Bestände. [1] Diese hier skizzierte höchst komplizierte Überlieferungslage in Bezug auf das staatliche Archivgut und weitere wichtige Quellenbestände in anderen Archiven in- und außerhalb Pommerns beschreibt das vorliegende Nachschlagewerk. Der Autor ist als langjähriger Archivar in Greifswald ein profunder Kenner der Materie und meistert sie entsprechend souverän.

Während für die Bestände des polnischen Staatsarchivs Stettin aus der Zeit bis 1945 seit einigen Jahren eine umfängliche Bestandsübersicht vorliegt [2], fehlte, abgesehen von einem summarischen Überblick von Joachim Wächter [3], ein solcher für das Landesarchiv Greifswald bislang. Der Abschnitt über das Landesarchiv im vorliegenden Band ist somit für die Bestände bis 1945 die erste umfassende Bestandsübersicht für dieses Archiv. Erarbeitet worden ist der Archivführer, wie man den einleitenden Texten des Autors und des Direktor des Landesarchivs Greifswald, Martin Schoebel, entnehmen kann, bereits vor einigen Jahren. Verschiedene Gründe haben dann zu einer Verzögerung bei der Publikation geführt, bis man beim herausgebenden Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa einen Partner fand, der bereits seit Jahren auch die Beständeübersichten der ehemals preußischen, heute polnischen Staatsarchive veröffentlicht.

Wartenberg bietet in seiner Einleitung zudem eine geraffte Geschichte des pommerschen Archivwesens, wobei der Fokus natürlich auf der staatlichen Überlieferung liegt. Für den mit der Materie nicht Vertrauten ist die Lektüre dieses Textes Pflicht, weil er erklärt, warum gerade die im Band aufgelisteten Einrichtungen aufgenommen wurden.

Die Erfassung des Archivguts folgt einem einheitlichen Schema. Zunächst wird die archivierende Einrichtung - neben Archiven im eigentlichen Sinne sind auch Bibliotheken und Museen vertreten - mit ihren Grunddaten wie Anschrift, Öffnungszeiten und einem kurzen inhaltlich-geschichtlichen Abriss vorgestellt. Dann folgt die Präsentation der Archivbestände mit laufender Nummer, Bestandsbezeichnung und -signatur, Angabe des Umfangs entweder in laufenden Metern (lfm) oder Archivalieneinheiten (AE) sowie einer äußerst gerafften Bestands- und Bestandsbildnergeschichte nebst - soweit erforderlich - inhaltlichen Schwerpunkten der Überlieferung des Bestandes. Die Abfolge der erfassten Bestände beginnt mit denen der staatlichen Behörden und Einrichtungen, dann folgen die kommunalen Verwaltungen und Körperschaften auf Provinz- und Kreisebene, Reichsbehörden, Gerichte und sonstige Justizeinrichtungen, kirchliche Einrichtungen, kommunale Einrichtungen auf lokaler Ebene und schließlich das sonstige nichtstaatliche Archivgut der Wirtschaft, von Personen, Familien, Vereinen und sonstigen Einrichtungen. Definitorisch etwas ungenau ist die durchgängige Bezeichnung der staatlichen Verwaltung als öffentliche Verwaltung, denn das sind kommunale Verwaltungen auch. Ebenso wird nicht ganz klar, warum die kommunale Verwaltung in zwei Bereiche geteilt ist. Natürlich finden sich bei den erfassten archivischen Einrichtungen jeweils nur die Bestandsgruppen, die dort auch vorhanden sind.

Insgesamt sind 31 Archive oder Einrichtungen, die Archivgut aufbewahren, von Wartenberg erfasst worden. Den Anfang machen die beiden pommerschen Landesarchive in Greifswald und Stettin. Dann folgen die beiden polnischen Staatsarchive in Köslin (Koszalin) und Posen (Poznań) mit ihren Abteilungen in Stolp (Słupsk), Neustettin (Szczecinek), Schneidemühl (Piła) und Landsberg a.d. Warthe (Gorzów Wielkopolski). Daran schließen sich die selbständigen kommunalen Archive in Vorpommern an. Da die Kreisarchive in der Regel erst Archivgut ab 1952 aufbewahren, handelt es sich hierbei lediglich um die Stadtarchive in Barth, Greifswald und Stralsund sowie das Kreisarchiv Rügen, wo das Archiv der Stadt Bergen aufbewahrt wird. In Polen werden dagegen die kommunalen Archive grundsätzlich in den Staatsarchiven aufbewahrt. Universitätsarchiv Greifswald, Landeskirchliches Archiv Greifswald, Universitätsbibliothek Greifswald, das Geographische Institut der Universität Greifswald, das Pommersche Landesmuseum Greifswald sowie die Pommersche Bibliothek in Stettin beschließen die Einrichtungen, die auf dem Gebiet der ehemaligen Provinz Pommern erfasst wurden.

Zu den dann folgenden Archiven und Einrichtungen außerhalb Pommerns zählen u.a. das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin, das Bundesarchiv, das Reichsarchiv in Stockholm, in welches das hier noch separat aufgeführte Kriegsarchiv inzwischen institutionell aufgegangen ist, das Reichsarchiv in Kopenhagen, das Brandenburgische Landeshauptarchiv sowie die Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz. Im Geheimen Staatsarchiv und in Stockholm sind in erster Linie die Überlieferungen der oberen Behörden der jeweiligen Gesamtstaaten erfasst worden, in den anderen Einrichtungen handelt es sich vorwiegend um Nachlässe und archivische Sammlungen mit pommerschen Bezügen. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Literatur, allerdings auf dem Stand der Erstbearbeitung ungefähr im Jahr 2000, sowie zwei Register der in den Beständelisten erwähnten Personen und Orte beschließen den Band. Das Ortsregister beinhaltet zudem eine überaus hilfreiche deutsch-polnische Ortsnamenkonkordanz.

Eine solche Erfassung muss zwangsläufig unvollständig bleiben. Zwei Beispiele mögen dies belegen. Im Staatsarchiv Sigmaringen wird u. a. das Fürstlich Hohenzollernsche Haus- und Domänenarchiv als Dep. 39 aufbewahrt. Die darin enthaltenen Bestände FAS DS 131 bis 133 umfassen die Überlieferung der Rentämter Köslin und Manow sowie der Gutsverwaltung Jannewitz, alle in Hinterpommern gelegen. Im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Magdeburg werden am Standort Wernigerode die Gutsarchive aus der ehemaligen Provinz Sachsen archiviert. Einige davon enthalten auch Unterlagen zu pommerschen Gütern. Am umfangreichsten dürfte die Überlieferung zum hinterpommerschen Gut Beweringen bei Stargard im Bestand H Gutsarchiv Helmsdorf sein.

Aber dies kann man dem Bearbeiter nicht anlasten, sondern es unterstreicht einmal mehr die Notwendigkeit, dass Archive ihre Bestände nicht nur hüten und pflegen, sondern die Informationen dazu auch öffentlich zugänglich zu machen. Hierzu leistet der vorliegende Archivführer eine wichtige, ja unentbehrliche Hilfe. Er sei jedem, der sich mit der archivalischen Überlieferung zur Geschichte Pommerns bis 1945 beschäftigt, uneingeschränkt empfohlen.


Anmerkungen:

[1] Vgl. dazu Martin Schoebel: Verschollen, vernichtet, zerrissen, geteilt. Die archivische Überlieferung Pommerns nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Archive und Herrschaft. Referate des 72. Deutschen Archivtages 2001 in Cottbus (Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen, Beiband 7), Siegburg 2002, 153-152.

[2] Radosław Gaziński / Paweł Gut / Maciej Szukała (Bearb.): Staatsarchiv Stettin. Wegweiser durch die Bestände bis zum Jahr 1945. Aus dem Polnischen übersetzt von Peter Oliver Loew, München 2004, Rezension in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 3 [15.03.2005].

[3] Joachim Wächter: Die Archive im vorpommerschen Gebiet und ihr historisches Quellengut, in: Greifswald-Stralsunder Jahrbuch 2 (1962), 145-164.

Rezension über:

Heiko Wartenberg (Bearb.): Archivführer zur Geschichte Pommerns bis 1945 (= Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa; Bd. 33), München: Oldenbourg 2008, 315 S., ISBN 978-3-486-58540-7, EUR 29,80

Rezension von:
Dirk Schleinert
Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg
Empfohlene Zitierweise:
Dirk Schleinert: Rezension von: Heiko Wartenberg (Bearb.): Archivführer zur Geschichte Pommerns bis 1945, München: Oldenbourg 2008, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 12 [15.12.2008], URL: https://www.sehepunkte.de/2008/12/14394.html


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