sehepunkte 8 (2008), Nr. 7/8

Janus Møller Jensen: Denmark and the Crusades 1400 - 1650

Der von 1998 bis 2001 laufende Sonderforschungsbereich "Dänemark und die Kreuzzugsbewegung" an der Süddänischen Universität Odense hat in den letzten Jahren zu einer Reihe von Dissertationen angeregt, zu der auch die vorliegende Arbeit von Janus Møller Jensen zu zählen ist. Er greift dabei mit seiner Arbeit ein Thema auf, das zu einem Teil zuletzt 1687 bzw. 1865 und teilweise bisher überhaupt nicht behandelt worden ist. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass mit dem vorliegenden Werk eine mehr als deutliche Forschungslücke geschlossen worden ist.

Der Verfasser gliedert sein Werk in zwei Großabschnitte: 1. Die dänische Beteiligung an den Kreuzzügen bzw. der Kreuzzugsbewegung von 1397 - dem offiziellen Entstehungsjahr der Kalmarer Union - bis zur Absetzung Christians II. im Jahr 1523 und 2. Das Verhältnis Dänemarks zu den nachreformatorischen Kreuzzügen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts.

Der erste Abschnitt ist wiederum dreigeteilt. In seinem ersten Teil bietet der Autor eine überaus substantielle und tiefgründige Beschreibung der dänischen Einbindung in die Kreuzzugsbewegung im Spätmittelalter. Chronologisch beschreibt der Verfasser die Zusammenarbeit oder Nichtzusammenarbeit zwischen Dänemark und der Kurie und die Nutzung des Kreuzzugsgedankens für genuin skandinavische Politik, vor allem in der Auseinandersetzung zwischen Dänemark und Schweden im Gefolge des Auseinanderbrechens der Kalmarer Union. Von besonderer Bedeutung sind dabei, neben den zahlreichen päpstlichen Kollektoren und deren Tätigkeit im Norden, u.a. die Kreuzzugspläne König Christians I., die die enge Verknüpfung skandinavischer und europäischer Politik exemplifizieren. In einem zweiten Teil ("Preaching the Crusades") beschäftigt sich der Autor eingehend mit der Verbreitung des Kreuzzugsgedankens in Skandinavien durch Schrift, Wort und Liturgie, bevor er sich in einem dritten Teil der eher unbekannten Geschichte des grönländischen Kreuzzuges respektive der grönländischen Kreuzzüge zuwendet. Schon seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts wurde über eine latente Gefahr durch eindringende heidnische Skrælinger (Inuit) an den äußersten Grenzen der Christenheit gesprochen, was immer wieder zu Kreuzzugsplänen Anlass gab. Diese Pläne gewannen dann vor allem an Gewicht, als man ab der Mitte des Jahrhunderts, angeregt durch neuere kartographische Erkenntnisse, vermutete, dass es eine Landverbindung von Grönland nach Indien gäbe. Hierdurch geriet Skandinavien und vor allem Grönland ins Blickfeld der Entdeckerbewegung. Der geplante aber dennoch nie verwirklichte Kreuzzug zur Unterstützung der grönländischen Bevölkerung gegen die heidnischen Inuit (Skrælinger) und der in diesem Zusammenhang stehende Informationsfluss in Europa ist daher ein wichtiges Kapitel der Vorgeschichte der kolumbianischen Entdeckungen und hat damit weitaus mehr zu bieten, als nur exotisches Lokalkolorit.

Im zweiten Abschnitt wendet sich Møller Jensen einem bisher überhaupt noch nicht behandelten Thema zu: der nachreformatorischen Kreuzzugsbewegung. Mag dieses zuerst überhaupt als eine contradictio in adiecto aufgefasst werden, so konstatiert der Verfasser, dass der Kreuzzugsgedanke auch nach der Reformation weiterlebte, was angesichts der latenten Türkengefahr mehr als verständlich zu sein scheint. Hierzu untersucht der Verfasser nicht nur die Terminologie der Zeit, sondern geht in einem gesonderten Kapitel auch auf die veränderte Haltung Martin Luthers zu diesem Thema ein. Von besonderem Wert sind dabei Møller Jensens Ausführungen über die Kreuzzüge gegen die 'inneren' und 'äußeren' Türken und über die Rolle der Orden auch im Zusammenhang mit dem Kreuzzug gegen die Türken im 17. Jahrhundert.

Generell lebt diese Arbeit von der überragenden Quellenkenntnis des Verfassers. Mit großer Leichtigkeit ist Møller Jensen in der Lage, noch so abgelegene Quellen aufzuspüren und gewinnbringend anzubringen. Dieses führt zu einer exzellenten Dichte in der Beschreibung, die ein nahezu geschlossenes Bild entstehen lässt. Der Verfasser beeindruckt ebenso durch die Vielfalt der angeführten Argumente und die Breite in der Argumentation.

Doch kann auch nicht verhehlt werden, dass der Arbeit der eine oder andere Schwachpunkt anhaftet. So bleibt zum ersten die eigene Deutung des Begriffes "Kreuzzug" durch den Verfasser schwach und unklar. Zwar weist er nach einer prägnanten Übersicht über die Forschungsgeschichte auf Riley-Smiths Definition eines Kreuzzuges als einem "holy war fought against those perceived to be external or internal foes of Christendom for the recovery of Christian property or in defense of the Church or Christian people" hin (24) und stellt sich dabei auf die Seite der Inklusivisten, doch bleibt diese Definition im weiteren Textverlauf ungenutzt. Vor allem kommt der Autor im Verlauf seiner Studie selten über die Konstatierung hinaus, dass dieses oder jenes Ereignis als Kreuzzug deklariert wurde. Selbst wenn man die religiöse Dimension menschlichen Handelns im Spätmittelalter und der Renaissance nicht unterschätzen darf, so entbehrten politische Entscheidungen und Argumentationen selbstverständlich nicht der politisch-strategischen Überlegung - dieser Aspekt bleibt seltsam unbeleuchtet. Es ist die Frage, ob es sich überall dort, wo der Kreuzzug Erwähnung fand, auch wirklich um einen Kreuzzug gehandelt hat oder ob man nicht auch von einem propagandistischen Verwendungszweck ausgehen kann. Hier wäre eine tiefgehende Diskussion zwischen religiösen und machiavellistisch-politischen Denkmustern unbedingt vonnöten gewesen.

Das Gleiche gilt auch für den Kreuzzugsgedanken im 16. und 17. Jahrhundert. Hier bleibt der Verfasser letztendlich den Beweis schuldig, dass die gebräuchlichen Referenzen auf die Türkengefahr wirklich unter der Rubrik Kreuzzugsgedanken zu fassen sind - und wenn ja, welche Art von Kreuzzug hier widergespiegelt wird. Zudem lässt der Verfasser sich an der einen oder anderen Stelle in seiner Begeisterung für seine Themen doch sehr weit vom eigentlichen Inhalt seiner Arbeit abbringen, wie zum Bespiel bei den algerischen Übergriffen auf Island und die Färöer und der damit verbundenen Einrichtung einer Sklavenkasse. Das sind wichtige Entwicklungen im Gefüge der Entstehung eines sozial fürsorglichen Staates, doch welcher Zusammenhang zwischen Kreuzzug und algerischen Sklaven besteht, bleibt letztendlich unklar - auch, wenn man einen Gedanken erahnen kann.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die vorliegende Dissertation eine außerordentlich wichtige Bereicherung für die Geschichte der Kreuzzugsbewegung und des Kreuzzugsgedankens vor und nach der Reformation in Skandinavien darstellt. Sie schließt eine ungemein große Forschungslücke und wird sicherlich auch als Steinbruch und Anregung für andere Arbeiten dienen. Mehr analytische Tiefe wäre dennoch an der einen oder anderen Stelle anstatt des nur Berichtenden wünschenswert gewesen. Diese Kritik soll und kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die skandinavische Forschung mit dieser Arbeit ein großes Stück vorangekommen ist.

Rezension über:

Janus Møller Jensen: Denmark and the Crusades 1400 - 1650 (= The Northern World. North Europe and the Baltic c. 400-1700 AD. Peoples, Economies and Cultures; Vol. 30), Leiden / Boston: Brill 2007, xix + 399 S., ISBN 978-90-04-15579-4, EUR 129,00

Rezension von:
Carsten Jahnke
Saxo-Instituttet, Københavns Universitet, Kopenhagen
Empfohlene Zitierweise:
Carsten Jahnke: Rezension von: Janus Møller Jensen: Denmark and the Crusades 1400 - 1650, Leiden / Boston: Brill 2007, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 7/8 [15.07.2008], URL: https://www.sehepunkte.de/2008/07/13367.html


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