sehepunkte 8 (2008), Nr. 1

Mary K. Geiter / W.A. Speck: A Dictionary of British America, 1584-1783

Das Dictionary of British America zielt auf eine spezifische Käuferschicht: Auf die College Studenten. Es würde, so verkündet Stephan Conway, sicherlich eine "great help to Students of colonial and Revolutionary North America" (Umschlag, Rückseite) sein.

Das Dictionary bietet eine siebenseitige Chronologie der britisch-amerikanischen Geschichte von 1584 bis 1783, die die davor liegenden britischen Versuche zur Erkundung Nordamerikas verschweigt, eine dreieinhalbseitige Einleitung, die in einem Schnelldurchgang die nordamerikanische Kolonialgeschichte repetiert, die - offensichtlich aus der Sicht der britischen Autoren wichtigsten - Konzepte der Kolonialgeschichte, das imperiale und das atlantische, knapp und recht unscharf darstellt und die mit folgenden ermunternden Worten schließt: "This dictionary tries to keep the British as well as the colonists in view. It starts out with a Scottish general, James Abercromby, and ends with a colonial printer, John Peter Zenger. It lists kings and queens and some leading politicians in Britain as well as men and women actors in the colonies [...] The aim is to provide enough information to make the compendium useful as a reference for Atlantic as well as for colonial American history".

Das Dictionary verpflichtet sich nach diesen Worten einer prosopographischen Geschichtsauffassung und verspricht, "women active in the colonies" nicht zu vergessen und hofft, dass dies sowohl für "Atlantic" als auch für "colonial American History" nützlich sein werde.

Trotzdem: Das Wörterbuch bietet vor allem Biographien zu Männern: Sie sind in erstaunlicher Fülle vertreten; Frauen dagegen sind selten. Unter "Women" werden im Sachindex sechs Frauen aufgeführt. Schaut man genauer hin, dann findet man noch unter dem Schlagwort "New England" Mary Dyer, zuerst Anhängerin von Anne Hutchinson (die in den Rubriken "Women" und "New England" genannt wird), dann Quäkerin, die mehrmals in Massachusetts ihr "suffering" suchte, und dort denn auch 1660 von demselben durch den Strang erlöst wurde (34-35).

Ansonsten fällt nur noch auf, dass Margaret Brent (c.1601 - c. 1671) in einem längeren Eintrag gedacht wurde (14), weil sie als Testamentsvollstreckerin von Leonard Calvert, Lieutenant-Governor der Kolonie, einen Sitz für sich und einen Sitz ex-officio als Testamentsvollstreckerin des dahingeschiedenen Gouverneurs beanspruchte. Brent ist der Eintrag natürlich nicht missgönnt. Aber unverständlich bleibt, weshalb dann der Ehefrau von William Penn, die nach dem Gehirnschlag ihres Mannes für beinahe zwei Dekaden die Kolonie Pennsylvania für ihre minderjährigen Söhne verwaltete, unberücksichtigt bleibt. Erwähnt wird sie nur als Mutter von Thomas Penn (81).

Frauen bleiben in diesem Dictionary etwas blass. Aber sie sind zumindest, wenn auch nur in winziger Zahl, präsent. Das kann man von den Native Americans nicht behaupten. Kein einziger Artikel beschreibt Mohawk, Six Indian Nations, Abenaki, Cherokee, Creek, Delaware oder Shawnee. Einzige Ausnahme: Die Powhatan Confederation erhält einen sehr kurzen Eintrag (45), vermutlich deshalb, weil man dies zur Kontextualisierung des Artikels von Pocahontas (84-85) benötigte. Was die Autoren in ihrem Artikel über Pocahontas allerdings nicht erwähnen, ist, dass sie eine nationale Ikone ist. Dafür wird hervorgehoben, dass sie ein "valuable asset to the existence of the two cultures" gewesen sei (84). Diese Einschätzung wiederum gehört in die Rubrik der Vermutungen, die zu einem nicht zu unterschätzendem Teil aus anglo-amerikanischem Selbstlob gespeist werden.

Wenn die Autoren schon indianische Frauen berücksichtigen wollten, hätte es zwei überzeugendere Kandidatinnen gegeben: Molly Brant, eine Mohawk, die in die Rolle der Ehefrau von Sir William Johnson geschlüpft und für den großen Einfluss Johnsons auf die Six Indian Nations verantwortlich war. Sie wird indes nicht einmal in dem knappen Artikel zu Sir William Johnson (62) erwähnt.

Meine zweite Kandidatin ist Madam Montour, vormals Elizabeth Couc (c.1667-1750/52), eine Indianerin, die mit einem kanadischen Kaufmann verheiratet war und die, vor allem über ihre Söhne, eine einflussreiche cultural broker zwischen den europäischen und nativen Kulturen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war. Dass man Biographien zu den wichtigsten indianischen Häuptlingen (etwa Canasatego, Joseph Brant, Cornstalk, und Mary Musgrave) vergeblich sucht, sei nur am Rande vermerkt.

Ich will aber gerne anfügen: Alle wichtigeren Konflikte mit Indianern haben Einträge erhalten, und in diesen ist durchaus das Bemühen um eine gerechte Beurteilung der Ursachen und Gründe für die Konflikte erkennbar. Der Nutzer lernt: Die Beziehungen zwischen Indianern und Europäern zwischen 1607 und 1783 sind eine bedauerliche Abfolge von hässlichen Kriegen, in denen sich die Indianer vergeblich gegen weiße Übergriffe wehrten. Dass dies ein bisschen zu einfach gestrickt ist, brauche ich nicht anzufügen. Die Autoren wissen dies, und unbewusst komisch formulieren sie deshalb auch in dem Artikel "Indians" (57-59): "Concentration on the conflicts which marked the encounters between the colonists and the Indians can convey the impression that their relations were marked by ceaseless strife [...] Yet side by side with this chronicle [...] another story could be woven around peaceful interactions" (58). Dieser Teil der Geschichte fehlt jedoch.

Ein Grundproblem des Dictionary besteht darin, dass die Autoren es den beiden großen historiographischen Richtungen, "atlantische Geschichte" und "imperiale Geschichte", recht machen wollten. Sie überspielen dabei die spannende Frage, wie beide zusammenhängen - immerhin hätte man argumentieren können, dass beide eng zusammengehören. Vor allem aber vergessen die Autoren, dass beide Konzepte nicht nur machtpolitische, sondern auch wirtschaftspolitische Komponenten haben.

Zuerst zur machtpolitischen: Das Dictionary enthält Einträge zu allen großen kolonialpolitischen Konflikten; auch wird kein König und keine Königin vergessen. Weniger positiv sieht es bei den politischen Institutionen aus, die für die Kolonien zuständig waren. Von diesen erhält nur der Board of Trade einen Eintrag (11-12), und dieser ist zudem an einer entscheidenden Stelle zumindest lückenhaft. Denn der Board war eben keine selbständige Behörde, wie der Beitrag suggeriert, sondern dem Privy Council nachgeordnet. Von 1696 bis 1748 hatte nur der Privy Council, nicht aber der Board in kolonialen Fragen die Entscheidungskompetenz. Der Board konnte nur Empfehlungen aussprechen, und dies erklärt auch, weshalb die großen Konflikte über koloniale Grundfragen nicht vor dem Board of Trade, sondern vor dem Privy Council verhandelt wurden.

Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass der Privy Council weder erwähnt wird noch einen eigenständigen Eintrag in dem Dictionary hat. Die großen atlantischen Streitfragen, die vor diesem Gremium entschieden wurden - Grenzstreitigkeiten, Rechtsfragen etc - bleiben damit unverständlich. Noch problematischer ist, dass die Houses of Parliament nicht als Stichworte auftauchen - wiewohl diese letztlich die für die Kolonialpolitik entscheidenden Weichenstellungen vornahmen. Ohne diese bleiben jedoch die politischen Konflikte zwischen Nordamerika und England zwischen 1660 und 1783 einfach unverständlich.

Blickt man auf die wirtschaftspolitischen Aspekte der Atlantic History, dann wird das Bild weder besser noch klarer: Der amerikanische Außenhandel - und hinter diesem die Problematik der Acts of Trade and Navigation - wird durch sechs große Produktbereiche bestimmt, die zu deutlich mehr als der Hälfte die Wirtschaftsbeziehungen innerhalb des britischen Empire, aber auch derer mit nicht-britischen Handelspartnern bestimmten: Tabak, Zucker, Holz, Reis, Weizen und Pelzwaren. Die wenigen Zeilen zu "Four Trade" (41) und zur "Naval Stores Act" (72) werden weder der ökonomischen noch der eminenten politischen Bedeutung der Pelze und der "naval stores" (Mastbäume, Pech, Teer und Hanf) für die kolonialen und die englischen Wirtschaftsordnungen gerecht. Kein Produkt wird eines Eintrags für würdig erachtet.

Was bleibt als Fazit: Von Ausnahmen abgesehen sind die Artikel dieses kleinen Dictionary im wesentlichen ordentlich gearbeitet; die Defizite des Werks liegen vor allem in den gravierenden konzeptionellen Mängeln der Arbeit. Letztlich haben sich die Autorinnen und Autoren dazu durchgerungen, ein Wörterbuch aus "der alten Dose" zu produzieren: Männer, und immer wieder Männer machen Geschichte. Strukturen, Kulturen und Frauen stören da nur. Dies alles ist für 19.99 Pfund zu haben - ein stolzer Preis für knapp 130 Seiten Text. Hoffentlich kaufen die College Studenten für dieses Geld etwas Ordentliches zu essen.

Rezension über:

Mary K. Geiter / W.A. Speck: A Dictionary of British America, 1584-1783, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2007, XX + 125 S., ISBN 978-0-230-00229-6, GBP 19,99

Rezension von:
Hermann Wellenreuther
Historisches Seminar, Georg-August-Universität, Göttingen
Empfohlene Zitierweise:
Hermann Wellenreuther: Rezension von: Mary K. Geiter / W.A. Speck: A Dictionary of British America, 1584-1783, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2007, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 1 [15.01.2008], URL: https://www.sehepunkte.de/2008/01/12872.html


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