Rezension über:

H.E.M. Cool: Eating and Drinking in Roman Britain, Cambridge: Cambridge University Press 2006, xvi + 282 S., ISBN 978-0-521-80276-5, GBP 55,00
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Rezension von:
Anna Kieburg
Archäologisches Institut, Universität Hamburg
Redaktionelle Betreuung:
Sabine Panzram
Empfohlene Zitierweise:
Anna Kieburg: Rezension von: H.E.M. Cool: Eating and Drinking in Roman Britain, Cambridge: Cambridge University Press 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 11 [15.11.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/11/13300.html


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H.E.M. Cool: Eating and Drinking in Roman Britain

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Was waren die Speise- und Trinkgewohnheiten der Einwohner Britanniens in römischer Zeit? Anhand einer Vielzahl von archäologischen Stätten im heutigen England zeigt diese faszinierende neue Studie von Hilary Cool wie vielfältig diese Gewohnheiten waren. Sie waren abhängig von verschiedenen Regionen und Gesellschaften und jede war weit davon entfernt, allein römisch oder indigen zu sein. Indem die Autorin ein breites Spektrum von archäologischen Funden und Befunden einbezieht - von Keramik über Metallarbeiten und Tierknochen bis zu botanischen Zeugnissen wie Samen - illustriert die Autorin die vorhandenen Nahrungsmittel und Produktionstechniken. Das Buch stellt verschiedene Ansätze zur Erörterung von archäologischen Befunden und Funden vor und zeigt, wie diese analysiert und interpretiert werden können. Eine hervorragende Auswahl an archäologischen Quellen und weiterführender Literatur bietend, richtet sich das Buch hauptsächlich an Wissenschaftler und interessierte Laien. Es führt dem Leser die regionalen Unterschiede innerhalb des römischen Britanniens vor Augen und behandelt Küchenware, Lebensmittel, Kochtechniken sowie Speise- und Trinkgewohnheiten und Esssitten.

Die Autorin beginnt mit einer Erkundung der Kulinaria im römischen Britannien, indem sie eines der Hauptprobleme dieser Periode ins Auge fasst: die unglaubliche Masse an Artefakten, die bisher in der Forschung nicht zusammenhängend bearbeitet wurden. Hilary Cool leistet eine Pionierarbeit in Bezug auf die archäologischen Quellen, da sie zunächst die Funde vorstellt, den Kontext ihrer Auffindung berücksichtigt und den Methoden und Ergebnissen der bisherigen archäologischen Einzelanalysen und Interpretationen folgt.

So untersucht Hilary Cool zunächst die vielfältigen archäologischen Zeugnisse, die über die Lagerung, Verpackung, Kochtechniken und -utensilien Auskunft geben können, wie zum Beispiel Keramik und osteoarchäologisches sowie literarisches Material. Danach wird jede Speisegruppe einzeln diskutiert: Fleisch, Gemüse, Milchprodukte und nicht zuletzt Wein und Bier. Diese Sektionen verwenden die verschiedenen verfügbaren Quellen und führen sie mit den Untersuchungen und Interpretationen der individuellen Datensätze zusammen.

Die einbezogenen Quellen und Forschungsansätze sind konsequent in kleine "Happen" eingeteilt, das heißt sie werden kurz und bündig vorgestellt. Die Zeugnisse sind in einer Art und Weise dargestellt, in der das gefundene Objekt mit seiner originalen Funktion und Fundumgebung in Verbindung gebracht wird. So werden Gefäßscherben als Fragmente einer Verpackung oder eines Trinkgefäß betrachtet und nicht kontextlos in Statistiken und Typen eingeteilt und aufgelistet. Durch die trockenen und material-schweren archäologischen Berichte erscheint es immer leichter, Funde nur im materiellen Sinn zu betrachten - als ein Stück Keramik, Glas oder Knochen - und nicht in ihrer funktionalen Ganzheit - als Behälter für Öl, für Wein oder Bier oder als Reste eines Stückes Braten. In diesem Buch aber sind Materialsammlung und Interpretation gekonnt präsentiert und verflochten, um so ein Maximum an Ergebnis und Wirkung zu erzielen. Das römische Britannien wird so äußerst anschaulich illustriert und nicht auf Tabellen aus Keramikscherben und Ziegelresten reduziert.

In den letzten Kapiteln werfen diese Materialanalysen Licht auf einige noch offene Fragen. Eating and Drinking in Roman Britain unterstreicht den tiefreichenden Einfluss, den die römischen Kolonisten auf die indigene Bevölkerung hatten. So erläutern die letzten Kapitel die sich verändernden Gewohnheiten - wie zum Beispiel Trink-Rituale - einiger Gesellschaftsschichten von der Eisenzeit bis zur römischen Eroberung. Ebenso betrachtet wird der geographische, chronologische, soziale und demographische Einfluss auf alltägliche Tätigkeiten wie Essen und Trinken. Dies erscheint vielleicht nicht als ein Novum, wenn man die Vielzahl an Speisen betrachtet, die heute für uns zugänglich sind, aber es verdeutlicht die immensen Verallgemeinerungen, die in der Forschung oft zu diesem Thema angebracht werden.

Außerdem streift das Buch neben dem zentralen Thema Essen und Trinken ebenfalls ein breites Spektrum an methodischen Fragen zur Archäologie in England. Welche Art von Materialien lassen sich überhaupt in archäologischen Befunden finden? Wie bearbeiten, analysieren und bewerten Archäologen diese Funde? Welche Fragen müssen angesichts von Fundansammlungen gestellt werden? Wie werten wir verschiedene Arten von Informationsquellen aus? Kurz, Hilary Cool legt dar, welches Potenzial Funde haben können, wenn die "richtigen" Fragen gestellt werden. Und sie erklärt, wie Archäologen verfahren, um diese zu beantworten. Es werden Methoden jenseits der Fundanalyse beleuchtet und inhärente Probleme angesprochen sowie der Einfluss, den die Stichprobenstrategie auf Fundkomplexe haben könnte. Dadurch wird das Buch eine wertvolle Quelle für alle, die sich mit Fundstudien und/oder dem römischen Britannien beschäftigen.

Zum Schluss betont Hilary Cool: "I would like to think that we excavate sites because we are curious about the past and the people who lived in it, rather than to keep us in employment and fill museum stores with boxes of finds" (245). Das verdeutlicht den Enthusiasmus, der bei ihrer Bearbeitung des vorliegenden Materials deutlich spürbar ist und der faszinierende Einblicke in die römische Periode Britanniens und in die Arbeit der Archäologen gewährt. Die Autorin verarbeitet im Text so viel Originalmaterial wie möglich und zusammen mit übersichtlich platzierten Zeichnungen und Tafeln bekommt der Leser ein gutes Gespür für die Materialfülle. Das bedingt für Wissenschaftler eine gute Basis zum Studium und für Nicht-Spezialisten ein vertieftes Verständnis für die gezogenen Schlussfolgerungen. Vermissen lassen sich lediglich einige Farbabbildungen oder Fotos von Gefäßen, die es insbesondere dem Nicht-Spezialisten einfacher machen würden, sich einige der besprochenen Artefakte vorzustellen.

Sicherlich wird jeder Student oder Archäologe, der dieses Buch liest, zu schätzen wissen, wie kontextbezogen Material verwendet werden kann, dass sonst nur in Archiven, Museumsmagazinen und Buchanhängen zu finden ist. Denn was ist der Grund einer archäologischen Materialsammlung, wenn sie nicht zur Verbildlichung der Antike benutzt wird? Dieses Buch ist ein exzellentes Beispiel für den Umgang mit und die Auswertung von Funden und Befunden. Der Ansatz der Autorin fordert den Leser auf, die Menschen der Antike zu betrachten, zusammen mit ihren Eigenheiten, ihren kulturellen Unterschieden und ihren persönlichen Beiträgen.

Anna Kieburg