sehepunkte 7 (2007), Nr. 10

Blake R. Beattie: Angelus Pacis

Das Urteil der Zeitgenossen über die Legationstätigkeit der beiden Kardinäle Bertrand du Pouget und Giovanni Gaetano Orsini in der Lombardei und der Romagna bzw. in der Toskana und im nördlichen Latium muss vernichtend gewesen sein: Nachdem du Pouget (1334) und Orsini (1335) an die Kurie zurückgekehrt waren, notierte der Konstanzer Domherr Heinrich von Diessenhofen, der sich damals in einer ungeklärten Funktion in Avignon aufhielt, die beiden von Johannes XXII. als verlängerte Arme des Papstes nach Italien entsandten Legaten hätten nichts erreicht und dabei erst noch einen "unendlichen Schatz" ausgegeben.

In seiner Untersuchung nimmt sich nun Blake R. Beattie eines der beiden "Versager" an, nämlich Giovanni Gaetano Orsini, dessen Aussendung im Jahr 1326 nicht ohne diejenige des seit 1320 in der Lombardei weilenden du Pouget verstanden werden kann. [1] Letzterer gehörte als Landsmann von Johannes XXII. zu jenen in Italien verhassten "Galliern", die seit dem Beginn des "Avignonesischen Exils" an der Kurie überhand genommen hatten. Mit dem politischen Mikrokosmos in seinem Wirkungsgebiet zu wenig vertraut, scheiterte er mit seinem vom "administrativen Geist" (197) des avignonesischen Papsttums durchdrungenen Ansatz. Zudem vermochte er keine lokalen Kräfte zu mobilisieren, sondern war von Söldnern abhängig, deren Verpflichtung die Kosten der Legation in Schwindel erregende Höhen steigen ließen. Die Schwierigkeiten, denen de Pouget begegnete, erklären die Kursänderung, welche die Ernennung von Giovanni Gaetano Orsini zum "legatus a latere" mit ausgedehnten Vollmachten in ganz Mittelitalien am 17. April 1326 darstellte. Während de Pouget weiterhin gegen die Visconti vorgehen sollte, war Orsini dazu ausersehen, die Toskana zu befrieden, Rom gegen Ludwig den Bayern zu verteidigen und die Ordnung im Kirchenstaat wiederherzustellen. Mit Giovanni Gaetano Orsini fiel Johannes' Wahl auf einen der fünf verbleibenden Italiener im Kardinalskollegium, dessen familiäre Bande nach Rom ebenso wie die Kenntnisse der komplizierten italienischen Gegebenheiten den Erfolg seiner Mission sicher stellen sollten.

An dieser Stelle kann es nicht darum gehen, die wechselvolle achtjährige Gesandtschaft des Kardinals nachzuerzählen. Angesichts des finalen Misserfolgs Orsinis sei indes die Lage zum Jahreswechsel 1329-1330 erwähnt, als es - vorübergehend - schien, seine Legation sei von Erfolg gekrönt: Ludwig der Bayer hatte sich überstürzt aus Rom absetzen müssen, sein Gegenpapst Nikolaus V. hatte jeglichen Rückhalt verloren und der Kirchenstaat war befriedet, letzteres dank einer Reihe glückhafter Ereignisse, die "eine ganze Generation von talentierten und gefährlichen ghibellinischen Führern auslöschte" (182). Zwölf Monate später hatte sich das Blatt gewendet: Neue Feinde der Kirche waren aufgetaucht; in den dem Legaten anvertrauten Territorien drohte allenthalben Aufruhr.

Der Autor isoliert mehrere Gründe, weshalb Orsini schließlich scheitere, ja scheitern musste: In erster Linie ist die Abwesenheit der Kurie zu nennen, die sich nicht durch einen Vertreter und dessen Gefolge ersetzen ließ. Mittels ihrer außerordentlichen Machtfülle vermochten Legaten, so Beattie, zwar die "Präsenz des Papstes" nach Mittelitalien zu bringen, nicht aber "die Präsenz des Papsttums" (183). Gleichzeitig hatte die angesprochene Machtfülle ihre Kehrseiten. Insbesondere fehlte es - sieht man von der nur selten praktizierten Abberufung durch den Papst selbst ab - an einem Mechanismus, mit dem ein Legat, der seine Vorrechte überschritten hatte, in die Schranken gewiesen werden konnte: "legatine power was controversial at the best of times; when misused, its effects could be devastating" (183). Was Giovanni Gaetano Orsini betrifft, so war dieser zu sehr ein Orsini, um der Versuchung widerstehen zu können, seine Prärogativen im Grabenkampf mit den Colonna einzusetzen, womit er seine Glaubwürdigkeit als über den Parteien stehender Vermittler ruinierte. Und als ob dies nicht schon genug wäre, verstrickte er sich - seiner Position wegen ein Fremdkörper in der kirchlichen und weltlichen Administration des Kirchenstaates - in Kompetenzstreitigkeiten mit den örtlichen Amtsträgern.

Dem Verfasser ist ein elegant formuliertes, mitunter leicht ironisch angehauchtes Buch gelungen, das einen lebhaften Eindruck von den wenig wirksamen Versuchen des avignonesischen Papsttums vermittelt, auf die Verhältnisse im fernen Kirchenstaat direkt einzuwirken. In knappen, aber prägnanten Zügen wird die Legation Orsinis hinsichtlich der Lage in Avignon und in Italien historisch eingebettet, wobei natürlich auch ein Kapitel über den familiären Hintergrund Giovanni Gaetanos nicht fehlt, dessen Anteil am Scheitern der Mission bereits angesprochen worden ist. Als Quellenbasis für diese Arbeit dienen die päpstlichen Register, sei es in ihrer edierten Form, sei es im Original. Es ist anzunehmen, dass lokale Dokumente weiteres Licht auf Orsinis Mission geworfen hätten, doch soll dem Autor kein Vorwurf gemacht werden, dass er sich für eine handliche Übersichtsstudie entschieden hat. Örtliche Funde und die sich daraus unweigerlich ergebenden Präzisierungen werden sich in den hier vorgezeichneten Rahmen einordnen lassen, dessen Nutzen außer Frage steht.


Anmerkung:

[1] Zu Bertrand de Pouget vgl. Pierre Jugie: Un Quercynois à la cour pontificale d'Avignon. Le cardinal Bertrand du Pouget (v. 1280-1352), Cahiers de Fanjeaux 26 (1991), 69-95.

Rezension über:

Blake R. Beattie: Angelus Pacis. The Legation of Cardinal Giovanni Gaetano Orsini, 1326-1334 (= The Medieval Mediterranean; Vol. 67), Leiden / Boston: Brill 2007, XXV + 245 S., ISBN 978-90-04-15393-6, EUR 95,00

Rezension von:
Georg Modestin
Monumenta Germaniae Historica, München
Empfohlene Zitierweise:
Georg Modestin: Rezension von: Blake R. Beattie: Angelus Pacis. The Legation of Cardinal Giovanni Gaetano Orsini, 1326-1334, Leiden / Boston: Brill 2007, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 10 [15.10.2007], URL: https://www.sehepunkte.de/2007/10/12974.html


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