Rezension über:

Sian Lewis (ed.): Ancient Tyranny, Edinburgh: Edinburgh University Press 2006, xiii + 282 S., ISBN 978-0-7486-2125-5, GBP 60,00
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Rezension von:
Michael Zahrnt
Institut für Altertumskunde, Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Michael Zahrnt: Rezension von: Sian Lewis (ed.): Ancient Tyranny, Edinburgh: Edinburgh University Press 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 10 [15.10.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/10/12732.html


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Sian Lewis (ed.): Ancient Tyranny

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Ausgangspunkt der hier vorzustellenden Sammlung war eine im Juli 2003 an der Universität von Cardiff durchgeführte Konferenz über "Tyrants, Kings, Dynasts and Generals: Modes of Autocracy in the Classical Period". Diese Konferenz habe Althistoriker und Philosophen zusammengebracht "to discuss the ways in which individuals held autocratic power in antiquity, the experience of tyranny, and the responses of classical thinkers to the phenomenon" (2). Auch glaubten die Verantwortlichen, hinsichtlich dieser Thematik in der britischen und amerikanischen Forschung (andere Nationen interessierten sie offenbar nicht) eine Forschungslücke erkannt zu haben. Allerdings wurden nicht alle Konferenzbeiträge in den Sammelband aufgenommen, dafür aber andere angefordert "to provide fuller coverage and expand on particular aspects" (9), damit die Zeit von den Deinomeniden bis Caesar sowie der Raum von Rom und Sizilien bis Persien abgedeckt seien. Nach dem Klappentext wird gar "a new and comparative study of tyranny within Greek, Roman and Persian society" versprochen (und das auf weniger als 250 Seiten Text).

Ziel der Besprechung ist es, diesen Anspruch entschieden zurückzuweisen. Schon Teil I "The Making of tyranny" weist eine merkwürdige Auswahl von Themen auf und lässt den Leser vergeblich nach einer "comparative study" suchen. Dass das Rom des 6. Jahrhunderts nach den archäologischen Zeugnissen als eine bedeutende Macht in Mittelitalien erscheint, berechtigt nicht dazu, mit Fay Glinister auch der bei Dionysios von Halikarnaß und Livius fassbaren literarischen Tradition über diese Zeit recht unkritisch zu trauen und Spekulationen über "Kingship and tyranny in archaic Rome" (17-32) anzustellen. Ähnliches gilt aufgrund der Quellenlage für Christopher Smiths Beitrag über "Adfectatio regni in the Roman Republic" (49-64), eine Untersuchung der Berichte über drei "would-be-tyrants" der frühen Republik, und seine dabei an den Tag gelegte Gewissheit, trotz aller Verformung in der Überlieferung den generellen historischen Hintergrund ermitteln zu können. Dass wir für den in der Mitte des 5. Jahrhunderts tätigen Sikeler Duketios fast ausschließlich von Diodors Angaben abhängen, hat Trinity Jackman, "Ducetius and fifth-century Sicilian tyranny" (33-48) nicht davon abgehalten, diese entsprechend eigenen Vorstellungen von Person und Zielen des Mannes auszudeuten und zu vom Thema her nicht geforderten Ausführungen Zuflucht zu nehmen. Nichts spricht dagegen, wie bisher in Duketios einen Nachahmer der syrakusanischen Tyrannen zu sehen. Matthew Trundle, "Money and the Great Man in the fourth century BC: military power, aristocratic connection and mercennary service" (65-76) bringt eine keineswegs auf das 4. Jahrhundert beschränkte Zusammenstellung einzelner Informationen ohne rechten Erkenntnisgewinn; Tyrannen und Tyrannenaspiranten kommen in diesem Beitrag auch vor. Auch Efrem Zambons Beitrag "From Agathokles to Hieron II: the birth and development of basileia in Sicily" (77-92) bringt sachlich nichts Neues, sieht man vom Versuch ab, die Herrschaft der beiden als "true kingship" zu erweisen. Nach außen mögen sie diesen Anspruch erhoben haben, aber ihre jeweilige Machtergreifung (die ruhig etwas ausführlicher hätte geschildert werden können) weist sie eindeutig als Usurpatoren aus.

Teil II behandelt "Tyranny and politics", allerdings mit einer merkwürdigen Gewichtung, indem zwei Beiträge der sizilischen Tyrannis und einer einem zweitrangigen Vertreter dieser Herrschaftsform im griechischen Mutterland gelten. Kathryn Lomas behandelt in "Tyrants and the polis: migration, identity and urban development in Sicily" (95-118) den schon längst bekannten Zusammenhang zwischen der sizilischen Tyrannis in allen Phasen ihrer Geschichte und den verschiedenen Umsiedlungsaktionen auf der Insel und bemüht sich zugleich, deren Folgen herunterzuspielen. Um die Schlacht bei Himera geht es Sarah E. Harrell in "Synchronicity: the local and the panhellenic within Sicilian tyranny" (119-134). Obwohl sich die Verfasserin schon einmal zu diesem Thema geäußert und jetzt sogar ein Buch darüber angekündigt hat, bezeichnet sie Akragas als die westlichste Griechenstadt an Siziliens Südküste, bezieht Pind. Pyth. 1,71ff. trotz des Singulars auf Gelon und Hieron und lässt letzteren schon bei Himera Griechenland gerettet haben. Diese und andere Behauptungen hätte sie ihren Lesern erspart, wenn sie den einschlägigen Beitrag des Rezensenten (Die Schlacht bei Himera und die sizilische Historiographie, Chiron 23, 1993, 353ff.) zur Kenntnis genommen hätte. Schließlich enthält dieser Teil mit Slawomir Sprawskis "Alexander of Pherae: infelix tyrant" (135-147) einen methodisch bisweilen recht bedenklichen und insgesamt misslungenen Versuch einer Ehrenrettung; wenn Isokrates von diesem Tyrannen ein positives Bild gezeichnet haben soll, darf man nicht vergessen, dass dieser mehrfach mit den Thebanern zusammenstieß und Isokrates die Thebaner hasste.

Teil III "The ideology of tyrannis" gilt deren Bewertung in verschiedenen Literaturgattungen. Geistreich haben sich Simon Hornblower zu "Pindar and kingship theory" (151-163) sowie James McGlew zu "The comic Pericles" (164-177) geäußert, wobei ersterer auch auf Vorgänger sowie Einfluss auf Spätere eingeht und letzterer zeigt, was er aus wenigen Fragmenten herauszuholen vermag. Die letzten drei Beiträge hingegen erheben sich wenig über das Niveau kommentierter Zitatensammlungen, so wenn Lynette Mitchell in "Tyrannical Oligarchs at Athens" (178-189) darlegt, warum der Gegensatz zwischen Demokratie und Oligarchie dazu führte, dass letztere gewöhnlich mit der Tyrannis gleichgesetzt wurde. Wenn sich Claude Mossé zu "Plutarch and the Sicilian tyrants" (188-196) äußert, so tut sie das fast ausschließlich in Form einer mit wörtlichen Zitaten aus Plutarchs Biographien bzw. dem siebten platonischen Brief durchsetzten Nacherzählung, ohne auch nur einen Gedanken an die Frage des Quellenwerts und Plutarchs sonstiger Vorlagen zu verschwenden. Wie Plutarch hat sich auch Cicero der platonischen Briefe bedient, wenn er, was Ingo Gildenhard bei der Behandlung einiger aus dem Anfang des J. 49 stammender Briefe aufzeigt (197-209), über Caesars Einmarsch in Italien lamentiert.

Teil IV schließlich gilt "The limits of tyranny" und verblüfft den Leser erst einmal durch Andrew Wolperts Feststellung, dass man neuzeitliche Theorien über autoritäre Regime bemühen muss, um "The violence of the Thirty Tyrants" (213-223) zu verstehen. Stephen Ruzicka, "The Persian autocracy, 424-334 BC" (224-237) bietet mit seiner Nacherzählung der Ereignisse von den Wirren nach Artaxerxes' I. Tod bis zu Alexanders Einmarsch nicht eigentlich Neues, betitelt es nur anders. Zu Alexander Theins Zitatensammlung in "Sulla the weak tyrant" (238-249) fällt dem Rezensenten wirklich nichts mehr ein.

Die hier kurz charakterisierten Beiträge, die nach dem Klappentext einem "wide range of leading experts in their field" verdankt werden, mögen zwar die eine oder andere neue Erkenntnis gebracht haben (wobei nicht alles, was neu ist, deswegen auch überzeugen muss), können aber nicht im Entferntesten als "comparative study of tyranny within Greek, Roman and Persian society" bezeichnet werden und sind zudem mit GBP 60,00 entschieden überteuert.

Michael Zahrnt