Rezension über:

Christina Randig: Aufklärung und Region. Gerhard Anton von Halem (1752-1819). Publikationen, Korrespondenzen, Sozietäten, Göttingen: V&R unipress 2007, 386 S., ISBN 978-3-89971-351-0, EUR 49,90
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Rezension von:
Andreas Heyer
Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg
Redaktionelle Betreuung:
Andreas Fahrmeir
Empfohlene Zitierweise:
Andreas Heyer: Rezension von: Christina Randig: Aufklärung und Region. Gerhard Anton von Halem (1752-1819). Publikationen, Korrespondenzen, Sozietäten, Göttingen: V&R unipress 2007, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 7/8 [15.07.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/07/12713.html


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Christina Randig: Aufklärung und Region. Gerhard Anton von Halem (1752-1819)

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Die Dissertation Christina Randigs über Gerhard Anton von Halem ist eine der Arbeiten, welche die wissenschaftliche Bedeutung des Forschungsfeldes Aufklärung evidieren und gleichzeitig weiter prägen. Mit Halem hat sich die Autorin eines Praktikers und Theoretikers angenommen, dessen Leben und Denken eigentlich fast "typisch" für die deutsche Version der Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist.

Die Studie zerfällt in fünf Teile. In der Einleitung (1. Teil, 11-28) umreißt Randig ihr Erkenntnisinteresse und bezieht zu den Diskursen über die Aufklärung Stellung. Dies ist der schwächste Punkt ihrer Arbeit, da teilweise ein theoretisches Defizit deutlich wird, das sich dann in seinen Auswirkungen bei der Interpretation und Einordnung Halems zeigt. Der zweite Teil (29-94) thematisiert die Biographie Halems, wobei Randig hier auch sein gesellschaftliches, berufliches und kulturelles Umfeld rekonstruiert, so dass Halem als Zeitgenosse des 18. Jahrhunderts lebendig wird. Der dritte Teil untersucht Halems publizistisches Wirken (95-248). Randig analysiert die verschiedenen Dimensionen seines Denkens und Handelns: Die Bandbreite reicht vom journalistischen Engagement über Halems Stellung zur Idee der Nation bis zu seinen zwei Reisen nach Paris. Den meisten Platz nimmt die Darstellung von Halems Positionierung zur Französischen Revolution ein, mit der wir uns noch beschäftigen werden. Im Anschluss unternimmt Randig dann noch die Rekonstruktion des Briefwechsels Halems mit Zeitgenossen (Teil 4, 249-308) und seines Wirkens in den gelehrten Sozietäten der damaligen Zeit (Teil 5, 309-350).

Die Analyse der Schriften Halems zur Französischen Revolution ist sicherlich das herausragende Kapitel der Dissertation (171-248) und dies nicht nur, weil es den meisten Platz beansprucht. Vielmehr kann die Autorin sehr schlüssig aufzeigen, warum Halems Werk eine gesonderte Behandlung verdient: Er war einer der wenigen deutschen Beobachter der Revolution, die bis über die Hinrichtung Ludwigs XVI. und die Herrschaft der Jakobiner hinaus an ihren Zielen festhielten, also bereit waren, für die Ideale einen gewissen Preis zu entrichten. Auch wenn Halem selbst als adliger Monarchist mit Blick auf die Hinrichtung des Königs "tiefe Abscheu" (195) zeigte, so führte ihn seine persönliche Meinung doch nicht zur Revidierung des ursprünglichen (und öffentlich gemachten) Urteils. Zwar wurden seine Äußerungen zu den Ereignissen in Frankreich quantitativ geringer (210), er kritisierte diese aber nicht öffentlich und verhinderte so, dass er zum Stichwortgeber der Konterrevolution werden konnte. Halem stützte seine Position dadurch ab, dass er die Französische Revolution als spezifisch französisches Ereignis auffasste, dessen Paradigmen nicht nach Deutschland importierbar seien (188f., 194). Dem entsprach dann, dies arbeitet Randig heraus, dass er sich vor allem mit verfassungstheoretischen Arbeiten beschäftigte, so dass Halem genau hier das für ihn Charakteristische der französischen Entwicklung fokussieren konnte (194-209). Wenn wir die Konsequenzen aus den Forschungen von Randig ziehen, verdeutlicht sich, dass Halem zwischen Innovation und Tradition schwankte: So waren seine Kritik an der Religion, den Illuminaten und seine konsequente Bejahung der Französischen Revolution nach außen eindeutig emanzipativ, d.h. sie wirkten stimulierend nach "vorne". Die Bindung Halems an überlieferte Denkmuster und Traditionen wird dann deutlich, wenn sein Verständnis des gehobenen Beamtentums (dem er selbst angehörte) und seine Verteidigung der Fürsten und Herrscher reflektiert wird. In diesem dualistischen Spannungsfeld ist Halem - das zeigt Randig zutreffend auf - zu interpretieren und eben das macht ihn in so manchem Punkt zu einem "typischen" Vertreter der deutschen Aufklärung am Ende des 18. Jahrhunderts.

Wenn man der Arbeit einen Vorwurf machen kann, dann den, dass sie ihren Forschungsgegenstand etwas zu wichtig nimmt. Auch wenn Halem in der "zweiten Reihe" der deutschen Aufklärung eine feste Größe sein sollte und sein Blick auf die Französische Revolution durchaus eine einzigartige Haltung zeigt, so ist er eben doch nicht "der" zentrale Vertreter der Aufklärung. Diese interpretative Schieflage wird dadurch möglich, dass die Autorin die Chance vertan hat, Halem in der deutschen Aufklärung zu verankern und damit Kriterien zur Beurteilung des innovativen, aber auch des rückständigen Potentials seines Denkens zu gewinnen. Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang auch das Fehlen einschlägiger und relevanter Forschungsliteratur anzumerken, deren Kenntnis die Autorin vor kleineren inhaltlichen Fehlern hätte bewahren können. Und dennoch, gerade diese (durchaus verzeihlichen) Probleme machen die Ausführungen Randigs zur Französischen Revolution lesenswert: Eben weil sie die Erkenntnisse selbst gefunden und nicht - wie so häufig üblich - rezeptiv erschlossen hat.

Andreas Heyer