Rezension über:

Jens Lehmann: Die Ehefrau und ihr Vermögen. Reformforderungen der bürgerlichen Frauenbewegung zum Ehegüterrecht um 1900 (= Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung; Bd. 6), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2006, XXII + 336 S., ISBN 978-3-412-09006-7, EUR 42,90
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Rezension von:
Ursula Nienhaus
Historisches Seminar, Leibniz Universität Hannover
Redaktionelle Betreuung:
Nils Freytag
Empfohlene Zitierweise:
Ursula Nienhaus: Rezension von: Jens Lehmann: Die Ehefrau und ihr Vermögen. Reformforderungen der bürgerlichen Frauenbewegung zum Ehegüterrecht um 1900, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 7/8 [15.07.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/07/11241.html


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Jens Lehmann: Die Ehefrau und ihr Vermögen

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"Bei einer derart komplizierten Rechtsmaterie, wie sie das Güterrecht vor 1900 bildete, bot sich den [männlichen wie weiblichen, U.N.] Reformern reichlich Material, um eigene Güterrechtsmodelle zu entwerfen", schreibt der Autor dieser ursprünglich juristischen Dissertation, einem übersichtlich gegliederten, inhaltlich umfassenden und zum Glück einigermaßen gut lesbaren Werk, das wahrscheinlich schnell zu einem Standardwerk für das behandelte Problem werden wird.

Nach Formulierung der Problemstellung und Skizzierung der Forschungslage stellt Lehmann im ersten Teil seines Buches die verschiedenen in den unterschiedlichen Regionen in Deutschland geltenden Güterrechte ausführlich vor (7-94). Der zweite - wesentlich umfassendere - Teil behandelt die Reformforderungen zum ehelichen Güterrecht (95-293), darunter die durchaus unterschiedlichen Reformforderungen seitens der Frauenbewegung und einzelner ihrer Vertreterinnen (95-166), sodann weitere Kritiken am Ehegüterrecht bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 (167-293) und schließlich weibliche und männliche Reformforderungen und Beurteilungen nach Inkrafttreten des BGB (294-315).

Das Buch beginnt mit einem Zitat nach Marie Stritts "Frauen-Landsturm" von 1896: "Wie ein dunkler Schatten aus den dunkelsten Tagen des Mittelalters ragt das Familienrecht des bürgerlichen Gesetzbuchs in die Gegenwart hinein". Doch anders als der Untertitel der Veröffentlichung suggeriert, machen die Ausführungen zu den frauenbewegten Forderungen umfangmäßig nicht einmal die Hälfte der Darstellung der Reformmodelle aus. Das ist umso bedauerlicher, als man gerne mehr darüber lesen würde, wie vor allem Camilla Jellinek, Käthe Schirmacher, Anna Mackenroth und Margarete Berent, aber auch Marianne Weber, deren Positionen Lehmann durchaus klar referiert, zumindest ansatzweise über die Forderung nach völliger Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau als einem formalen Rechtsprinzip hinaus dachten, weil sie auch das strukturelle Problem der neu entstandenen bürgerlichen Hausfrau und ihrer Entlohnung reflektierten. Wie sehr dieses Problem noch am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts ungelöst blieb, zeigte sich seit etwa 1974 in der internationalen Kampagne für / gegen Lohn für Hausarbeit, die Lehmanns Juristenperspektive leider entgangen ist. [1]

Immerhin würdigt der Autor (320) die besondere Leistung der frühen Feministinnen als eine Vorbereitung für "das heutige Güterrecht der Zugewinngemeinschaft" seit 1957 (166), wobei er allerdings außer Acht lässt, dass auch damit in der Praxis nicht alle Gleichberechtigungsbestrebungen von Ehefrauen erledigt sind. Er klärt (321) schließlich, "weshalb die Frauenbewegung mit ihren Forderungen so wenig durchdringen konnte, obwohl sie doch stichhaltige Argumente vortrug und die Diskussion um die Frauenrechte leidenschaftlich führte": Männliche Juristen fühlten sich gerade "durch das offensive und selbstbewusste Auftreten der Frauen herausgefordert" und Frauen hatten vor allem "eine mangelnde Vertretung [...] in den entscheidenden Gremien", d. h. in den Kommissionen, die während der Vorbereitung des Bürgerlichen Gesetzbuches gut zwanzig Jahre lang neue Regelungen vorbereiteten.

Hilfreich ist, dass Lehmann in seinem Schlusswort (316) die unterschiedlichen Positionen zu zehn Merkmalen für das neue Güterrecht zusammenfasst. Er stimmt Marianne Webers Fazit zu, dass das neue System "ein vorsichtiger Kompromiß zwischen individualistischem und autoritärem Eheideal sei, zwischen dem Streben, die Herrschaft des Mannes zu erhalten, daneben aber auch die Rechtspersönlichkeit der Frau zur Geltung kommen zu lassen" (317). Die zeitgenössische Frauenbewegung dagegen empfand die Verabschiedung des BGB, wonach der Ehemann das Vermögen der Ehefrau verwalten sollte, verständlicherweise als herbe Niederlage, wie der Verlag auf der Buchrückseite richtig betont.


Anmerkung:

[1] Die ausführlichste deutschsprachige Behandlung findet sich in: Frauen als bezahlte und unbezahlte Arbeitskräfte. Beiträge zur 2. Berliner Sommeruniversität für Frauen. Oktober 1977, hrsg. von der Dokumentationsgruppe der Sommeruniversität e.V. Berlin 1978, 168-242; vgl. auch mit weiteren Literaturangaben Gudrun Wedel: Autobiographien zur langen Vorgeschichte der internationalen Lohn für Hausarbeit-Kampagne, in: In Bewegung. Frauen Geschlecht Welt im 20. und 21. Jahrhundert. Dokumentation der gleichnamigen Tagung, hrsg. vom Frauenforschungs-, -bildungs- und -informationszentrum, FFBIZ, Berlin 2003, 17-26.

Ursula Nienhaus