KOMMENTARE ZU

Sybille Oßwald-Bargende: Rezension von: Alexandra Przyrembel / Jörg Schönert (Hg.): "Jud Süß". Hofjude, literarische Figur, antisemitisches Zerrbild, Frankfurt/M.: Campus 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 2 [15.02.2007], URL: http://www.sehepunkte.de/2007/02/11567.html


Von Gudrun Emberger


Sybille Oßwald-Bargende schreibt in der Anmerkung 2 ihrer Rezension, sie gebe nur die bibliographischen Angaben der in ihrer Rezension erwähnten Publikationen wieder, die sich NICHT im Literaturverzeichnis des besprochenen Tagungsbandes befänden. Da muss ihr entgangen sein, dass dort sehr wohl die in ihrer Anmerkung 3 genannten Aufsätze von Oliver Auge und Peter H. Wilson genannt werden: Auge auf S. 338, Wilson auf S. 360. Die "Lesarten" (Oßwald-Bargende) von Auge und Wilson werden auch im Beitrag von Emberger/Ries auf S. 55 angesprochen.

Der mit den Beiträgen von Auge und Wilson in einem Atemzug genannte Hinweis auf die Ausstellung "Beschlagnahmte Briefschaften..." mutet merkwürdig an: Die Tagung fand 2004 statt, der jetzt rezensierte Tagungsband erschien 2006 - die Ausstellung wurde vor 11 Tagen, am 8. Februar 2007 eröffnet.

Von Thomas Henne, Frankfurt/M.

Rezensenten haben meist das vorerst letzte Wort. Und das ist auch gut so. Wenn aber eine Rezension wie im vorliegenden Fall etliche Fehler und kaum haltbare Einschätzungen enthält, muss Widerspruch möglich sein. Dieser hier beruht nicht auf persönlicher Gekränktheit - mein Beitrag in dem Tagungsband wird in der Rezension nicht kritisiert.

"Kein wissenschaftliches Neuland" wird betreten, rügt die Rezensentin und verweist vor allem auf die monumentale Studie von Barbara Gerber (Jud Süß, Hamburg 1990), eine "akribische und ausgezeichnete Rezeptionsgeschichte". Dem letzteren Urteil der Rezensentin kann man zustimmen, doch macht das evident nicht den nunmehrigen Tagungsband überflüssig - Gerber konzentriert sich auf das Medienereignis des "Falls Jud Süß" im 18. Jahrhundert, während die Tagung Vorträge versammelte, die sich auch und gerade den zwei Jahrhunderten danach widmeten. Die These der Rezensentin, es "engt der vorliegende Sammelband die Untersuchungsbasis [im Vergleich zu Gerbers Studie] stark ein", ist wegen des unterschiedlichen zeitlichen Horizonts nicht haltbar. Mit Ludger Heid (Süddeutsche Zeitung v. 21.8.2006, S. 35) läßt sich also weiterhin behaupten: "Der Band leistet einen wichtigen Beitrag zur Antisemitismusforschung".

Zudem haben sich, kritisiert die Rezensentin, die Tagungsdiskussionen zu Anke-Marie Lohmeiers Thesen "offensichtlich" nicht im Tagungsband niedergeschlagen. Eine Lektüre des rezensierten Werks hätte aber unschwer ergeben, daß auf S. 267 f. mehrfach und unter Erwähnung von Lohmeiers Namen (in der Rezension falsch geschrieben) eine Auseinandersetzung mit ihren Thesen erfolgt. Stattdessen wird Lohmeier in der Rezension ohne weitere Diskussion das Kompliment gemacht, dass sie "überraschenderweise" eine Ambivalenz "aufdeckt". Just die Behauptung, dass diese Ambivalenz bisher nicht gesehen worden sei, war auf der Tagung aber gerade einer der Punkte, der die Diskussionen auslöste. Die Rezension behauptet also nicht nur unzutreffend, dass die auf der Tagung geäußerte Kritik an Lohmeiers Thesen nicht im Buch vorkommt, sondern präsentiert eine dieser Thesen auch noch als scheinbar unstrittige "überraschende Aufdeckung".

Dass gleich in der zweiten Zeile der Rezension ein falsches Todesdatum von Joseph Süß Oppenheimer (1737 anstatt 1738) angegeben wird, vervollständigt die Kritik. Und zuguterletzt hat offenbar ein Computerprogramm mit der sog. neuen Rechtschreibung zugeschlagen und den Titel des rezensierten Buches von "Jud Süß" in Jud Süss (also mit "ss" statt "ß" und, wichtiger, ohne Anführungszeichen) verwandelt. Das ist kein Formalismus: Das Buch behandelt vorrangig die Medialisierung des "Jud Süß" und eben nicht die Vorgänge zu den Lebzeiten des Jud Süß. Die abschließenden Hinweise der Rezensentin zu neueren, im Buch nicht berücksichtigten Aufsätzen zur "Lebens- und Leidensgeschichte" des historischen Joseph Süß Oppenheimer gehen daher am Thema des Buches vorbei.

REPLIK

Von Sybille Oßwald-Bargende

Erwiderungen können durchaus anregend sein. So, wenn sich gleich der erste Satz als Lehrstück der relativierenden Formulierung entpuppt: "Rezensenten haben meist vorerst das letzte Wort", heißt es dort. Darin schwingt mehr mit als der Sachhinweis auf die wie auch immer geartete 'Macht der Rezension'. Bezeichnenderweise heißt es ja nicht kurz und bündig, "Rezensenten haben das letzte Wort", sondern es ist ein einschränkendes "meist" und ein feinsinniges "vorerst" eingefügt. Was hat das konkret mit dem Widerspruch auf meine Rezension zu tun? Möglicherweise wäre mir als Rezensentin tatsächlich "vorerst das letzte Wort" gegönnt worden, sofern ich mich an die sehr gängige Praxis der relativierenden oder verklausulierenden Formulierung gehalten hätte. Möglicherweise hätte ich mir dann nicht den Vorwurf eingehandelt, "kaum [sic!] haltbare Einschätzungen" zu vertreten. Doch darum geht es mir eigentlich nicht.

Im Sinne der - auf der Homepage der sehepunkte jedermann zugänglichen - "Richtlinien für Rezensenten" habe ich offen ausgesprochen, dass anders, als von Alexandra Przyrembel behauptet, die historische Jud-Süß-Forschung eben nicht "nach wie vor am Anfang [steht]". Denn es gibt bereits Arbeiten zum Thema "Jud Süß" und mit Barbara Gerbers Monographie darüber hinaus eine grundlegende Studie zur Rezeptionsgeschichte. Das wird sowohl von der Herausgeberin in ihrem Vorwort als auch vom Kommentator anerkannt. Trotz des Widerspruchs kann ich folglich nicht sehen, dass der vorliegende Sammelband thematisch oder methodisch wissenschaftliches Neuland betritt. Jedenfalls nicht als Ganzes. Und darum ging es in meiner Rezension.

Primär galt es nämlich einen Tagungsband zu besprechen. Dessen Qualität ergibt sich nicht allein schon aus der Summe seiner mehr oder weniger innovativen und/oder gehaltvollen Einzelbeiträge. Tagungen stecken sich vielmehr in der Regel das Ziel, mit möglichst ebenso regen wie anregenden Diskussionen darüber hinausreichende Erkenntnisse zu befördern. Deshalb erscheint mir meine implizite Forderung durchaus legitim, Tagungsdiskussionen nicht gewissermaßen an eher 'versteckten Orten' (auf die der Kommentator dankenswerter Weise hinweist) aufspüren zu müssen, selbst wenn auch das eine häufige Praxis ist.

Ein Sammelband muss sich vorrangig an der zugrundeliegenden Konzeption messen lassen. In diesem speziellen Fall sollte das Faszinosum "Jud Süß" mit Hilfe des von der Herausgeberin ins Spiel gebrachten Begriffs der "ikonographischen Figur" fassbarer werden. Diesen Anspruch löst - wie ich in meiner Rezension begründet habe - der Sammelband meiner Ansicht nach nicht ein. Nur soviel erscheint mir klar, dass damit dem spannungsreichen Verhältnis von 'geschichtlicher Realität' und Medialisierung eine besondere Bedeutung eingeräumt wird. Insofern ist es durchaus angebracht, ausdrücklich auf weitere Arbeiten, die sich mit der 'geschichtlichen Realität' befassen, sowie auf eine aktuelle Ausstellung hinzuweisen.

Abschließend möchte ich nochmals betonen, dass ich meine Aufgabe als Rezensentin darin sehe, den Leserinnen und Lesern der sehepunkte einen ersten Eindruck und kein abschließendes Urteil zu vermitteln. Das ist der potenziellen Leserschaft von "Jud Süß. Hofjude, literarische Figur, antisemitisches Zerrbild" vorbehalten und wird je nach Interessenslage und Kenntnisstand möglicherweise unterschiedlich ausfallen. Und das ist gut so.

STELLUNGNAHME der Redaktion zum Kommentar von Thomas Henne

Thomas Henne macht am Ende seines Kommentars zu Recht auf einen Fehler in der Titelerfassung des rezensierten Bandes aufmerksam. Dieser bedauerliche Fehler ist auf eine falsche Erfassung in der Redaktion zurückzuführen und nicht der Rezensentin anzulasten. Der Fehler wurde inzwischen korrigiert.