Rezension über:

Volker Leppin / Ulrich A. Wien (Hgg.): Konfessionsbildung und Konfessionskultur in Siebenbürgen in der Frühen Neuzeit (= Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa; Bd. 66), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2005, 236 S., ISBN 978-3-515-08617-2, EUR 36,00
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Rezension von:
Anna Ohlidal
Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) an der Universität Leipzig
Redaktionelle Betreuung:
Ute Lotz-Heumann
Empfohlene Zitierweise:
Anna Ohlidal: Rezension von: Volker Leppin / Ulrich A. Wien (Hgg.): Konfessionsbildung und Konfessionskultur in Siebenbürgen in der Frühen Neuzeit, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2005, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 2 [15.02.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/02/8417.html


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Volker Leppin / Ulrich A. Wien (Hgg.): Konfessionsbildung und Konfessionskultur in Siebenbürgen in der Frühen Neuzeit

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Der anzuzeigende Band hat sich zum Ziel gesetzt, der "hauptsächlich durch mitteleuropäische Perspektiven und Räume geprüfte[n] historiographische[n] Diskussion" (221) um Konfessionalisierung, Konfessionsbildung und Konfessionskulturen durch eine Übertragung auf das Beispiel Siebenbürgen neue Impulse zu verleihen. Abgedruckt werden Beiträge zweier Tagungen in Kronstadt (1999) und Wittenberg (2000), bei denen Humanismusrezeption und Reformationsgeschichte im ethnisch und konfessionell pluralistischen Siebenbürgen im Mittelpunkt standen. [1]

Der Mitherausgeber Volker Leppin sieht Siebenbürgen als "Paradebeispiel für ein politisches Territorium [...], in dem bestimmte historische und ethnische Entwicklungen es möglich machten, dass nebeneinander mehrere Konfessionen offiziell anerkannten Status erhielten" (8). Er schildert die Prozesse, die dazu führten, dass sich fünf Konfessionen auf drei Sprachgruppen verteilten und dass bei der Entscheidung für eine Konfession nur der ethnisch-soziale, nicht aber der obrigkeitliche Druck eine Rolle spielte. Siebenbürgen sei daher ein Beleg dafür, wie konfessionelle Identitäten sich in der Frühen Neuzeit ohne direkte Steuerung des Staates herausbilden konnten. Leppin hält das Konfessionalisierungsparadigma daher nicht für anwendbar und plädiert für die Verwendung der Analysekategorie "Konfessionskultur" im Sinne Thomas Kaufmanns. [2]

Mit derselben Anregung schließt auch der Beitrag Harm Kluetings zur reformierten Konfessionalisierung in West- und Ostmitteleuropa, der in der Konfessionskultur einen möglichen gemeinsamen Nenner der verschiedenen konfessionellen Integrationsprozesse in Europa sieht. Abgerundet werden diese einleitenden Beiträge durch eine Abhandlung Ernst D. Petrischs über das Verhältnis zwischen Siebenbürgen und dem Osmanischen Reich im Reformationszeitalter und einem Artikel von Krista Zach zu den politischen Ursachen und Motiven der Konfessionalisierung in Siebenbürgen.

Der Mittelteil des Bandes macht leider deutlich, dass im Bereich von Konfessionsbildung und Konfessionalisierung nach wie vor Begriffsverwirrung herrscht und dass die Operationalisierbarkeit des von Leppin und Klueting im Anschluss an Kaufmann vorgeschlagenen Begriffs "Konfessionskultur" gewisse Schwierigkeiten bereitet. Trotzdem ist der Erkenntniswert der faktenreichen Beiträge zur Reformationsgeschichte im engeren Sinne hoch anzusetzen. Neben Aufsätzen zu den Einflüssen des Wiener und des Basler Humanismus (Ernst Hofhansl bzw. Mihály Balász) und der knappen Skizze eines Editionsprojekts siebenbürgischer Gelehrtenkorrespondenz (Thomas Wilhelmi) steht eine Studie von Ulrich A. Wien, welche die Rolle Wittenbergs für die "konservative Stadtreformation" (89) in Kronstadt beleuchtet.

Edit Szegedi widerlegt in ihrem Aufsatz zur Reformation in Klausenburg en passant die Allgemeingültigkeit einer These, der in der Forschung zu Siebenbürgen ein wichtiger Stellenwert zukommt: Sie zeigt auf, dass die theologischen Konfliktlinien nicht der Zugehörigkeit zur sächsischen bzw. ungarischen Nation entsprachen und die ungarische Nation auch nicht eindeutig als Siegerin aus dem Konflikt um das Pfarrbesetzungsrecht hervorging; vielmehr siegte die Stadtobrigkeit. Szegedi hält daher eine ethnisch-national geprägte Interpretation der Ereignisse für zu kurz gegriffen und plädiert für die Einordnung des Klausenburger Falls in die Kategorie der "Stadtreformation". Argumente für die Ausbildung einer konfessionellen Identität in enger Verbindung mit der ethnischen Zugehörigkeit zumindest im Fall der lutherischen Sachsen bietet dagegen Konrad Gündisch in seiner Studie über die "geistliche Universität" der siebenbürgisch-sächsischen Kirchengemeinden im 15. und 16. Jahrhundert.

Szegedis kritische Sichtweise des Konnexes von Konfession und Ethnie schlägt eine Brücke zu Ildikó Horns Untersuchung des ungarischen Adels als Träger der Reformation in Siebenbürgen. Horn zeigt, wie der in den 1560er Jahren zumeist lutherische Adel durch eine ausgefeilte Missionsstrategie für den Antitrinitarismus gewonnen wurde, bevor sich zehn Jahre später ein Erstarken des Calvinismus beobachten lässt. Von einer konfessionellen Homogenität der adligen Familien konnte keine Rede mehr sein, was dazu führte, dass Faktionen nicht auf der Basis von Glaubensüberzeugungen, sondern unter politisch-sozialen Aspekten gebildet wurden. Erst die katholische Offensive der Báthory-Fürsten bewirkte eine Solidarisierung des protestantischen Adels. Die sich hier bietende Chance, das Verhalten des ungarischen Adels in einem europäischen Kontext unter Zuhilfenahme des Konfessionalisierungsparadigmas zu verorten, wird von der Autorin leider nicht genutzt.

Unter dem problematischen Etikett der "Konfessionalisierung", wo die Verwendung des Begriffs "Konfessionsbildung" wohl hilfreicher gewesen wäre, steht Mihály Balász' instruktive Auseinandersetzung mit dem Antitrinitarismus. Balász vermutet, dass diese Institutionalisierung gegen den Willen des als "Kirchengründer" angesehenen Franz Dávid erfolgt sei. Seine These untermauert er durch die Feststellung, antitrinitarische Entsprechungen der Bekenntnistexte protestantischer Provenienz seien nicht etwa verschollen, sondern nie existent gewesen. Anders sehe es aber bei den Katechismen aus, die seit den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts in einer Vielzahl unterschiedlicher theologischer Schwerpunktsetzung vorhanden gewesen seien, bevor es Ende der 1630er Jahre zu einer grundlegenden Vereinheitlichung kam.

Drei Beiträge liefern einen Blick auf nicht anerkannte Konfessionen in Siebenbürgen bzw. auf einen innerungarischen Vergleichsfall: Radu Mârza beschreibt die Rumänen in Siebenbürgen und deren orthodoxes Bekenntnis als Beispiel für die "Beibehaltung und Vertiefung der Identifikation von Nation und Konfession [...] aus der Position der Geduldeten" (180), während Ladislau Gyémánt die wirtschaftlich-soziale Situation der Juden in Siebenbürgen ohne weiteren Bezug zu konfessionellen Fragestellungen schildert. Eine Antwort auf die Frage, ob die Konfessionalisierung in Ungarn tatsächlich nach Ethnien erfolgt sei, versucht Miklós Czenthe in seinem Aufsatz zur Reformation bei den Zipser Sachsen in Oberungarn (der heutigen Slowakei).

Trotz der Nennung im Titel des Bandes ist die "Konfessionskultur" nur ansatzweise vertreten. Aufschlussreich ist ein Beitrag von Gedeon Borsa zum siebenbürgischen Buckdruck, der einerseits aufzeigt, dass lutherische Werke in Hermannstadt und Kronstadt gedruckt wurden, während die zunächst ebenfalls für die Lutheraner tätige Klausenburger Offizin ab Mitte der 1580er Jahre Werke von Katholiken, Calvinisten und Unitariern verlegte. Zugleich liefert Borsa einen Beleg für die Ausbildung einer lutherisch-sächsischen Abgrenzungsidentität, indem er die Einstellung der Papierlieferungen von Kronstadt nach Klausenburg für den Moment festhält, als dort keine lutherischen Bücher mehr gedruckt wurden. Die musikhistorisch interessanten Ausführungen zu dem in Kronstadt geborenen Lautenisten und Komponisten Valentin Bakfark enthalten nur in einer Fußnote (21) einen Verweis auf die lutherische geistliche Musikpraxis, während der Text keine Fragen konfessioneller Natur thematisiert. Dagegen zeigt Lore Poelchau in ihrer Studie über den humanistischen Dichter und Pfarrer Christian Schesaeus die enge Verbindung, die humanistische Bildung und reformatorisches Bekenntnis in dessen Werk eingingen.

Nicht nur die wenig konsequent gehandhabte Verwendung der konfessionellen Begrifflichkeit erschwert die Lektüre des Bandes, sondern auch einige Mängel technischer Natur: Fremdsprachliche Titel sind in den Anmerkungen nur teilweise mit einer Übersetzung versehen und an einigen Stellen sind redaktionelle Anmerkungen der Herausgeber stehen geblieben. Ob es dem Band gelingt, über einen engen Expertenkreis hinaus Aufmerksamkeit für diese spannende Region Südosteuropas zu erreichen, muss offen bleiben. [3]


Anmerkungen:

[1] Inhaltlich knüpfen die Herausgeber damit unmittelbar an folgenden Band an: Ulrich A. Wien / Krista Zach (Hgg.): Humanismus in Ungarn und Siebenbürgen. Politik, Religion und Kunst im 16. Jahrhundert, Köln u.a. 2004.

[2] Thomas Kaufmann: Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede. Kirchengeschichtliche Studien zur lutherischen Konfessionskultur, Tübingen 1998, 7.

[3] Wesentlich kohärenter werden Fragen zur Herausbildung konfessioneller Identitäten und zum Konnex von Konfession und Nation in Südosteuropa behandelt bei: Maria Crâciun / Ovidiu Ghitta / Graeme Murdock (Hgg.): Confessional Identity in East Central Europe, Aldershot 2002.

Anna Ohlidal