Rezension über:

Silvia Glaser (Hg.): Italienische Fayencen der Renaissance - Ihre Spuren in internationalen Museumssammlungen (= Wissenschaftliche Beibände zum Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums; Bd. 22), Nürnberg: Germanisches Nationalmuseum 2004, 306 S., 293 Farb-, 113 s/w-Abb., ISBN 978-3-926982-97-1, EUR 28,80
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Rezension von:
Aino Bender
München
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Aino Bender: Rezension von: Silvia Glaser (Hg.): Italienische Fayencen der Renaissance - Ihre Spuren in internationalen Museumssammlungen, Nürnberg: Germanisches Nationalmuseum 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 7/8 [15.07.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/07/7983.html


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Silvia Glaser (Hg.): Italienische Fayencen der Renaissance - Ihre Spuren in internationalen Museumssammlungen

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"Unter den schusseln von mayolicha, [...] deren ich 2 mer gekauft, dan ich befelch gehabt von dir, sind 2 schüssel, [...] die hab ich darumb gekauft, daß mich schon [schön] haben gedaucht und mir so woll gefallen, das ich sie also gleich kaufen hab müssen" schreibt aus Italien der Nürnberger Kaufmann Hieronymus Imhoff 1546 an seinen Geschäftspartner zu Hause (254). Italienische Majoliken der Renaissance waren - und sind weiterhin - beliebte Sammelobjekte. In den Museen fristeten sie noch bis vor Kurzem jedoch eine Randexistenz.

Vom 12.-14. Februar 2001 fand im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg, ein Symposium mit dem Titel "CERAMICA ITALIANA. Die italienischen Fayencen der Renaissance und ihre Spuren in internationalen Museumssammlungen" statt. Die Beiträge dieser Tagung hat der hausinterne Verlag des Museums unter der Leitung von Silvia Glaser als wissenschaftlichen Begleitband zum Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums herausgegeben - allerdings erst 2004, also drei Jahre nach dem Kongress.

Ziel der Tagung war, wie es Silvia Glaser in ihren Vorbemerkungen zum Tagungsband formuliert, die Verortung der Nürnberger Majolika-Sammlung des Germanischen Nationalmuseums innerhalb der internationalen Museumssammlungen. Darüber hinaus "sollten spezielle Fragen und Problemstellungen zu einzelnen Objekten und Objektgruppen im Austausch mit internationalen Fachwissenschaftlern diskutiert und Forschungsansätze vertieft werden" (7).

Bei italienischen Fayencen spricht man von Majolika - italienisch "maiolica". Ursprünglich meinte man damit die aus dem spanischen Malaga stammende, maurische Töpferware mit Goldlüsterdekor, die man in Italien im ausgehenden Mittelalter in großen Mengen importierte. Im 16. Jahrhundert wurde die Bezeichnung auf die inzwischen in Italien selbst hergestellte Keramik übertragen. Typisch für sie sind weiß deckende Zinnglasur und Bemalungen mit Unterglasurfarben in blau, gelb, grün und violett. Ende des 15. Jahrhunderts verdrängt die Historienmalerei die bisher vorherrschende ornamentale Verzierung. Bei den Bildmotiven bediente man sich ganz im Geiste der Renaissance historischer, biblischer und vor allem mythologischer Bildthemen. Nach langer Vernachlässigung - seit der Antike - kam der Keramik damit wieder die Bedeutung als Bildträger zu.

Bei der Tagung im Germanischen Nationalmuseum 2001 waren besonders namhafte Wissenschaftler der Majolika-Forschung vertreten: unter anderen Johanna Lessmann, die 1979 mit ihrem wissenschaftlichen Katalog der Braunschweiger Majolika-Sammlung den eigentlichen Anstoß zur Majolika-Forschung gab, und Timothy Wilson vom Ashmolean Museum, Oxford, ebenfalls eine Koryphäe in diesem Feld. Allerdings wurden nicht alle Vorträge in diesem Tagungsband publiziert. Die Artikel sind in Englisch, Italienisch oder Deutsch verfasst. Zu jedem Text wurde eine Zusammenfassung in den jeweils zwei anderen Sprachen erstellt.

Die Beiträge der Referenten wurden in fünf Themenbereiche zusammengefasst: Museumssammlungen, einzelne Künstler und ihr Werk, Groteskendekore, Untersuchungen zur Ikonografie und zu Majoliken mit Wappendarstellungen und regionale Studien. Die Zuordnung ist in manchen Fällen etwas gewollt - es ist offensichtlich, dass die Festlegung der Themenbereiche erst bei der Konzeption des Bandes erfolgte. Bis auf wenige Ausnahmen erscheint die Unterteilung plausibel und verleiht dem Werk eine Struktur.

Der Band ist reich und farbig bebildert. Das standardmäßig verwendete Format ist leider in den meisten Fällen zu klein, denn viele der besprochenen Majoliken tragen kleinteilige Ornamente. Hier hätten einige Detailaufnahmen für mehr Anschaulichkeit gesorgt.

Der Tagungsband verdeutlicht, dass die Majolikaforschung noch sehr stark mit der Grundlagenforschung beschäftigt ist. In den meisten Artikeln geht es schwerpunktmäßig um Fragen der Datierung, Zuschreibung, Ikonografie und Motivvorlagen einzelner Objekte. Einige Artikel jedoch spannen einen weiteren kulturgeschichtlichen Bogen. Darunter Johanna Lessmanns Artikel über das Profil deutscher Käufer zur damaligen Zeit - hauptsächlich wohlhabende Patrizierfamilien aus dem Nürnberger und Augsburger Raum (235-264). Lessmanns Beitrag bietet ein aufschlussreiches Bild über die geschmacklichen Vorlieben und die Rolle, die diese kunsthandwerkliche Gattung innerhalb der Kunstsammlungen und bei der Selbstdarstellung dieser geschäftstüchtigen Kaufmannsfamilien spielte. Katharina Hantschmann gibt einen Einblick in die Geschichte der Sammlung Pringsheim (21-54). Sie zählte zu den größten privaten Majolika-Sammlungen aller Zeiten. Hantschmann liefert ein Portrait ihres Sammlers Alfred Pringsheim, Schwiegervater Thomas Manns. Die Sammlung sollte nach dem Willen ihres Besitzers dem Bayerischen Nationalmuseum überlassen werden. Der komplette Bestand wurde aber von den Nationalsozialisten 1939 zwangsversteigert und damit in alle Winde verstreut.

Der Tagungsband liefert wichtige Erkenntnisse für die Majolikaforschung. Timothy Wilson führt den Künstler Francesco Durantino als Beispiel für die Mobilität der damaligen Majolika-Maler und die Zusammenarbeit unterschiedlicher Werkstätten auf und stellt damit die bisherige Annahme eines ortsspezifischen "ductus" bei "istoriato"-Malereien infrage (111-145). Fiocco / Gherardi versuchen in ihrem Artikel einen neuen Forschungsansatz, indem sie bei der topografischen Zuschreibung zweier Teller andere Kunstgattungen in die stilistische Analyse miteinbeziehen (215-228). Szczepanek fordert eine eingehendere Klärung des ikonografischen Programms der Majoliken (165-173). Anhand einiger Beispiele aus dem Service Herzog Albrechts V. von Bayern verdeutlicht sie die Bedeutung von Bild- und Textquellen für eine umfassende Deutung der Darstellungen.

Die Ziele der Tagung "Ceramica Italiana" waren sehr allgemein definiert. Viele Aufsätze behandeln sehr spezielle Fragen wie zum Beispiel Datierungen oder Zuschreibungen einzelner Objekte. Es finden sich in diesem Tagungsband gleichzeitig viele neue, überaus interessante und erfrischende Forschungsansätze, auch zu kulturgeschichtlichen Aspekten. Zur Frage der Verortung der Nürnberger Majolika-Sammlung reicht eine Aneinanderreihung von Beiträgen zu großen europäischen Sammlungen nicht aus. Aufgabe der Herausgeberin wäre ein allgemeiner Überblick über internationale Majolika-Sammlungen und vor allen Dingen ein Fazit beziehungsweise ein resümierendes Schlusskapitel gewesen.

Ein breites Themen-Spektrum wird dem Majolika-Interessenten mit dieser Aufsatzsammlung geboten. Auch für den Nicht-Fachspezialisten ist diese Publikation sehr anregend. Der geistes- und kulturgeschichtliche Bezug kommt etwas zu kurz. Eine stärker gattungsübergreifende Betrachtung und Verortung würde die Majolika-Forschung überhaupt bereichern. Eine kontextuelle Erweiterung ist der Majolikaforschung grundsätzlich zu wünschen. Oder wie es die Verfasserinnen Fiocco und Gherardi ebenfalls in ihrem Beitrag zur Sprache bringen: "per far uscire la storia della ceramica dall'atteggiamento autoreferenziale in cui ama per lo piu rinchiudersi, ed inserirla finalmente in un contesto di piu ampio respiro" (212).

Die Beiträge sind äußerst fundiert recherchiert und der Leser findet zu jedem Thema reichhaltige Angaben zu weiterführender Literatur. Eine artikelübergreifende Bibliografie wäre noch übersichtlicher gewesen. "Italienische Fayencen der Renaissance" ist ein wichtiger Beitrag zur Majolika-Forschung. Er bietet in konzentrierter Form einen Überblick über den Forschungsstand. Monografische Publikationen sind noch relativ selten in diesem Feld. Schade, dass er erst so spät nach der Tagung erschienen ist. Beim Leser bleibt dadurch eine gewissen Unsicherheit über die Aktualität der Beiträge bestehen.

Die Museen sind dabei, ihrem Bestand an Majoliken einen prominenteren Platz einzuräumen (siehe z. B. Bayerisches Nationalmuseum, München oder Württembergisches Landesmuseum, Stuttgart). Mit dieser Publikation bekommen einzigartige Objekte der italienischen Renaissance endlich die verdiente Aufmerksamkeit.

Aino Bender