sehepunkte 4 (2004), Nr. 11

Alfons Zettler / Thomas Zotz (Hgg.): Die Burgen im mittelalterlichen Breisgau

Verglichen mit Franken, der Oberpfalz oder dem Elsass, gilt der Breisgau nicht als klassische Burgenregion. Das liegt sicherlich daran, dass neben den großen Resten der Schneeburg bei Ebringen, der Hochburg bei Emmendingen, den Burgen Keppenbach oder Zähringen zahlreiche Anlagen nur noch in schriftlichen Quellen oder Flurnamen fassbar sind. Bemerkenswerterweise ist nun für den Breisgau das Projekt eines umfassenden Katalogs der mittelalterlichen Adelsburgen in Angriff genommen worden, das in Qualität und Ausführlichkeit einzigartig ist. Den Anstoß gab die von Hans Schadek und Karl Schmid geleitete Zähringerausstellung 1986.

Zwei Experten für das mittelalterliche Schwaben, Alfons Zettler, Professor für Geschichte des Mittelalters in Dortmund, und Thomas Zotz, in Freiburg Professor für mittelalterliche Geschichte und Landesgeschichte, sind Herausgeber des Burgenbuchs. Der Untersuchungsraum ist der historische Breisgau. Grenzen sind im Süden und Westen der Rhein, im Norden die Bleiche und der Höhenzug des Schwarzwalds im Osten. So wird unter Vermeidung von Anachronismen die rechte oberrheinische Tiefebene zwischen Basel und Herbolzheim systematisch erfasst.

Je zwei des auf vier Bände angelegten Gesamtwerks behandeln die nördliche und die südliche Region, in etwa durch die Möhlin getrennt. Der hier zu besprechende erste Halbband enthält 46 Burgen des nördlichen Breisgaus vom Breisacher und Freiburger Schlossberg (43-53, 145-156) bis zu den unbekannten oder wenig bekannten Forchheim (143 f.), Kollnau (252) oder Wachtbühl bei Katzenmoos (222). Außer der Heidburg bei Hofstetten (Kreis Offenburg, 203-206) liegen die von 17 Autoren untersuchten Anlagen in den Landkreisen Freiburg und Emmendigen.

Einheitlich folgt auf eine Beschreibung der Lage, der sichtbaren baulichen und archäologischen Reste eine chronologische Darstellung der Burggeschichte mit Literaturhinweisen. Allen Artikeln des großzügig bebilderten Bands sind ein topografischer Kartenauszug im Maßstab 1:25 000 und Angaben zum amtlichen Kartenblatt beigegeben. Die Burgen werden in alphabetischer Reihenfolge nach heutigem Gemarkungsort aufgeführt, der Üsenberg also unter Breisach (54-56), die Schneeburg unter Ebringen (98-106) oder die Burg Lichteneck unter Hecklingen (186-191). Eine Konkordanz (XXXIV) erleichtert das Auffinden.

Angesichts zahlloser romantisch verklärender Arbeiten entfesselter Burgenfreunde ist es ein wahres Wort des Altmeisters der Burgenforschung, Otto Piper, dass "schwerlich auf einem anderen Forschungsgebiete eine solche Menge ganz haltloser Behauptungen aufgestellt worden sind, als auf dem der Burgenkunde". Auch das vermeintlich neue Bild der alten Burg, gekennzeichnet etwa durch Übertragung der Methodik Günther Bandmanns auf die Profanarchitektur als Machtsymbol, hat ihre romantischen Kronzeugen. So stabreimte schon Wagners Wotan über die Götterburg: "Prächtig prahlt der prangende Bau." Die Entzauberung durch die moderne multidisziplinäre Forschung - von der Zinnenromantik zum Latrinenfund - profilierte die Burg als adlige (Exklusiv-)Lebensform. Erfolgreiche Ausstellungen wie "Ritterburg und Fürstenschloß" im Passauer Oberhausmuseum 1998 haben viel zu einer nüchternen Sicht beigetragen.

Durch einen interdisziplinären Ansatz erfüllen die Autoren die von Walter Hotz geforderte umfassende Burgbeschreibung mittels Topografie, Bauform und geschichtlicher Einordnung. Heiko Wagner hat Burgplätze begangen und die Funde bewertet, durchaus erfolgreich wie im Fall Bahlingens (15) oder Ebnets (93, 95). Luftbildaufnahmen des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg wurden abgedruckt bei den abgegangenen Burgen Höhingen bei Achkarren (3), Au (13), Falkenstein bei Breitnau (59), Eichstetten (109), dem Salzhof bei Gündlingen (176) oder der Kirchzartener Gewann Hochstauden (249). Ausführlich werden die Baureste bei Amoltern (8 f.), der Bleichheimer Kirnburg (29-32) oder der Lichteneck (186-188) beschrieben. Eine strategisch bedeutsame Lage charakterisierte etwa die Buchenbacher Wiesneck (66), den Mauracher Berg bei Denzlingen (90) oder den Kybfelsen (179 f.).

Reiche Funde wie in Eichstetten (107 f., nur in Aufzeichnungen) und Keppenbach (235-237) sind eher die Ausnahme. Flur- und Burgnamen - etwa bei Wiesneck (69 f.), Ebnet (95), Kybfelsen (184) oder Heimbach (193) - werden ebenso einbezogen wie Ergebnisse der Dendrochronologie (196, 200, 241) und Heraldik (219, 236). Hauptgerüst sind bildliche und schriftliche, auch ungedruckte Quellen wie das Urbar des Klosters Günterstal (100). Ingesamt geht damit das Burgenbuch weit über die Arbeit von Alfons Kohler hinaus, der in seiner Freiburger Dissertation von 1940 nur bei schriftlicher Überlieferung einschritt. Für die Hessonen, die im Rahmen einer Doktorarbeit derzeit untersuchten Üsenberger und wohl im geringeren Maß für die von Hermann Nehlsen klassisch bearbeitete Familie Snewlin sind nach Abschluss des Unternehmens bedeutende Erkenntnisse zu erwarten.

Den Untersuchungsbeginn setzen die Herausgeber in das 10. Jahrhundert, weil damals "die Adelsburg in der feudalen Gesellschaft Europas infolge politischer, sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung aufkommt und rasch zu einem beherrschenden Element des Landes und seiner Siedlungsstruktur wird" (XXI). Heinrich Dannenbauers These von der Burg als Zentrum adliger Herrschaft schon in germanischer Zeit ist hiermit abgelehnt. Keine Berücksichtigung finden die von Joachim Werner, Michael Hoeper oder Heiko Steuer bearbeiteten alemannischen Anlagen. Frühere Besiedlungsspuren, wie im Fall des Breisacher Burgbergs (49 f.), des Bürgles bei Buchheim (74), Eichstettens (109), der Zähringer Burg (162 f.) oder des Kybfelsens (182), werden stets erwähnt. Das Betrachtungsende bildet meist das 14. und 15. Jahrhundert, doch kommen Nachfolgebauten, etwa das Burkheimer Schwendischloss (83 f.), zur Sprache. Spätmittelalterliche oder frühneuzeitliche Wehranlagen werden nicht behandelt.

Eine Verbindung Hartmanns von Aue zur Burg Au (13) und des Kürenbergers mit der Kirnburg (33 f.) wird zu Recht in Frage gestellt. Hier wäre noch neuere Literatur nachzutragen. Am Beispiel der Falkensteiner (58-62), der Snewlins (95 f.) oder der Keppenbacher (238 f.) wird der Prozess (versuchter) herrschaftlicher Verdichtung nachgezeichnet. Das Wechselverhältnis von Kirche und Burg (Gerhard Streich) sowie das von Burg und Stadt kann oftmals gezeigt werden. Rechts- und verfassungsgeschichtliche Aspekte werden anhand der Besitzrechtsqualitäten, des Gerichts oder im Fall der Burghut Hofstettens (205) angesprochen. Vielleicht erlauben hierbei die noch zu bearbeitenden Anlagen eine stärkere Profilierung im Vergleich mit Arbeiten von Hans-Martin Maurer oder Helmut Maurer.

Die Breisgaugrafschaft war eine zentrale Machtgrundlage der Zähringer Herzöge. Nach ihrem Aussterben 1218 wurde die Region durch eine Gewaltenvielfalt (Markgrafen von Baden, Grafen von Freiburg, Habsburger, Hochstifte von Basel und Straßburg und kleinere Herrschaften) bestimmt. Für viele Burgen sind mehrfache Herrenwechsel typisch. Eine räumliche Beschränkung auf den historischen Breisgau kann eine rein herrschaftsgeschichtliche Betrachtung behindern, da etwa nicht alle Zähringerburgen erfasst werden.

Durch eine großzügige Definition der Adelsburg als "Wohnsitz mit entsprechender sozialer und wirtschaftlicher Infrastruktur" (XXI) werden mehr Anlagen berücksichtigt. Eine Differenzierung sollte jedoch die Bestandsaufnahme beschließen. Die Grenzen von Burg zum "festen Haus" waren zweifellos fließend, die mittelalterliche Terminologie wie die Definitionen der Burgenforschung nicht einheitlich. Allerdings legt etwa der Schwabenspiegel (Landrecht II, Artikel 143) ziemlich genau fest, in welchem Umfang ein Haus ohne Befestigungsregal ummauert werden durfte.

Insgesamt ist das Breisgauer Burgenprojekt ein großartiges Unternehmen, an dessen Ende hoffentlich die Burgentypologie einer Landschaft in ihrem Beziehungsnetz - ebenso wie ein umfangreiches Register - stehen wird. Schon durch den ersten vorzüglichen und sorgfältig bearbeiteten Teilband zeigt sich das Ziel, den Breisgau als Burgenlandschaft zu etablieren, in einem ersten Schritt erreicht. Als Herzog Friedrich II. von Staufen links des Rheins vom Elsass nach Norden "am Schwanz seines Pferdes stets eine Burg hinter sich her" schleppte (Otto von Freising), war wohl auch am rechten Ufer so manche Zinne zu sehen.

Rezension über:

Alfons Zettler / Thomas Zotz (Hgg.): Die Burgen im mittelalterlichen Breisgau. I. Nördlicher Teil. Halbband A-K, Ostfildern: Thorbecke 2003, XXXII + 255 S., 119 Abb., ISBN 978-3-7995-7364-1, EUR 69,00

Rezension von:
Christof Paulus
Seehausen
Empfohlene Zitierweise:
Christof Paulus: Rezension von: Alfons Zettler / Thomas Zotz (Hgg.): Die Burgen im mittelalterlichen Breisgau. I. Nördlicher Teil. Halbband A-K, Ostfildern: Thorbecke 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 11 [15.11.2004], URL: https://www.sehepunkte.de/2004/11/6734.html


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