sehepunkte 2 (2002), Nr. 1

Harald Olbrich (Hg.): Lexikon der Kunst

Der elektronischen Ausgabe des "Lexikons der Kunst" aus dem Kunstverlag E. A. Seemann in Leipzig liegt die zwischen 1987 und 1994 erschienene Neubearbeitung des Nachschlagewerkes zu Grunde, das in etwa 17.000 Artikeln laut Verlagsbeschreibung "den aktuellen Erkenntnisstand der internationalen Forschung zusammenfasst." Als "derzeit umfassendste moderne Enzyklopädie zur Geschichte und Theorie der Kunst" wird das Lexikon gepriesen. Die Rezension der CD-Rom soll klären, ob und in wie weit die spezifisch elektronischen Merkmale und die Benutzung diesem Anspruch gerecht werden und einen Mehrwert zur gedruckten Ausgabe darstellen.

In der Reihe "Digitale Bibliothek" sind in den letzten Jahren verschiedenste Text- und Dokumentensammlungen sowie umfangreiche Textanthologien, Handbücher und Bildsammlungen zu Themen und Teilgebieten der Literatur, der Kunst, der Geistes- und der Sozialwissenschaften erschienen. Im Bereich der Bildenden Kunst finden sich neben dem "Lexikon der Kunst" auch noch "Kindlers Malereilexikon" und das "Lexikon der Weltarchitektur" sowie Dürers Gesamtwerk auf CD-Rom. Diese Grundlagentexte geisteswissenschaftlicher Disziplinen werden zur Zeit auf mehr als 62 CD-Rom-Ausgaben angeboten. Dabei sollen laut Verlag die spezifischen, bislang kaum ausgeschöpften Möglichkeiten der elektronischen Erfassung und Verarbeitung von Texten und Abbildungen besser genutzt werden können. Dazu trägt ohne Frage die konsistente Bedienoberfläche bei, die bei allen Ausgaben identisch ist, per Internet aktualisiert werden kann und dem Benutzer eine leichte Orientierung und Benutzung durch ihre Einheitlichkeit ermöglicht.

Nach Installation des Programms öffnet man die dementsprechende Ausgabe, in unserem Fall den "Band 43: Lexikon der Kunst". Zunächst ist der Bildschirm zweigeteilt. Links eine Menge von Registern, rechts der Textrahmen. Es sind aber auch verschiedene Bildschirmmodi verfügbar, die je nach Anforderung auswählt werden können. Grob gesagt gibt es zwei grundlegende Möglichkeiten durch das Werk zu navigieren. Zunächst die linear-hierarchische. Man kann wie in einem Buch blättern oder wie im Explorer von Windows Ordner und Begriffe aufklappen. Wer sich analog zum gedruckten Lexikon bewegen will, hat mit der sehr intuitiven Bedienung keinerlei Probleme. Personen- und Bildregister sind überaus schnell aufgerufen und durchsucht. Gibt der Benutzer zum Beispiel "Rembrandt" in das Register ein, so wird die entsprechende Textseite unmittelbar auf der rechten Seite angezeigt. Hier können Textstellen in verschiedenen Farben markiert und auch kopiert werden. Dabei werden die Quellenangaben zu den Zitaten und herauskopierten Textstellen als Fußnoten immer gleich mitgeliefert.

Beispiel:

Rembrandt, Harmensz. van Rijn, holländischer Maler und Grafiker, * 15.7.1606 Leiden, † 4.10.1669 Amsterdam; 1613-20 Lateinschule in Leiden, das. 1620 an der Univ. eingeschrieben, ohne das Stud. aufzunehmen, das. 1621-23 bei J. Swanenburch und 1624 ein halbes Jahr bei P. Lastman in Amsterdam,

[Lexikon der Kunst: Rembrandt, S. 1. Digitale Bibliothek Band 43: Lexikon der Kunst, S. 28025 (vgl. LdK Bd. 6, S. 111) (c) E. A. Seemann]

Übersichtliche Tabellen von Personendaten sind ein wesentlicher Vorteil gegenüber der gedruckten Ausgabe. Mit Doppelklick ist der entsprechende Artikel schnell aufgerufen. Enttäuschend ist da schon eher das Abbildungsverzeichnis. Lediglich wenige schwarz-weisse Grafiken mit allzu oft viel zu geringfügig beschreibendem Text (denn nur nach diesem kann gesucht werden, eine direkte Motivsuche ist noch Zukunftsmusik) sind zu finden. Hier würde der Nutzer eine dem Medium entsprechend bessere visuelle Ausstattung erwarten. Dabei wird dann doch die Herkunft von einem gedruckten Lexikon unmittelbar deutlich. Entscheidend mag aber auch die in diesen Fällen nicht zu vernachlässigende Frage nach den Urheberrechten sein, die die Herausgeber nach eigenen Angaben zur Reduktion der Abbildungen veranlassten. Wer mehr und bessere Abbildungen will und auch Wert auf Detailvergrößerungen legt, ist mit der CD-Rom des "Belser Lexikons der Kunst- und Stilgeschichte" besser bedient. Im Gegensatz zu der reduzierten textbasierten Struktur des "Lexikons der Kunst" wirkt die Belser-CD-Rom auf Grund ihrer grafisch ausgefeilteren Optik und der besseren Aufbereitung multimedialer Inhalte moderner.

Das "Lexikon der Kunst" kommt da schon eher wie ein kunsthistorisches Standardwerk daher, in möglichst direkter Nähe zur Originalquelle - dem gedruckten Buch. Das mag eben auch der entscheidende Nachteil gegenüber neueren populären Lexika wie zum Beispiel dem Microsoft Encarta sein. Eine automatische Aktualisierung der Einträge zum Beispiel der Literaturangaben wird nicht angeboten, wäre aber ein entscheidender Vorteil gegenüber der analogen Ausgabe. Der Nutzer kann lediglich über die rechte Maustaste eine Fundstelle direkt im Internet in verschiedenen Suchmaschinen recherchieren.

Dennoch besticht das "Lexikon der Kunst" durch seine umfangreichen Suchmöglichkeiten, die von den meisten Nutzern wohl nicht ausgeschöpft werden. Die einfache Volltextsuche wird durch komplexe Suchmöglichkeiten mit Platzhaltern und Operatoren ergänzt. Die dienen dazu, eine Eingabe wie den Suchbegriff "Bruegel", der 164 Fundstellen produziert, einzuschränken und dann den passenden Eintrag zu finden. Die wortgenaue Seitenkonkordanz zur Buchausgabe erleichtert darüber hinaus die Zitierbarkeit und unterschiedlich gefärbte Markierungen können in Listen kommentiert, gedruckt und gespeichert werden. Verweise innerhalb des Lexikons sind selbstverständlich als Hyperlinks angelegt und lassen Sprünge innerhalb der Texte zu. Eine so genannte "History" der besuchten Seiten bzw. Fundstellen wäre darüber hinaus noch eine sinnvolle Ergänzung. Mit den Vor- und Zurück-Pfeilen kann aber durch die aufgerufenen Seiten navigiert werden.

Alles in allem erfüllt das elektronische Lexikon die Ansprüche, die an dieses Medium in der Textrecherche gestellt werden. Zu wünschen bliebe lediglich eine Anbindung an eine Bilddatenbank und eine bessere Aktualität der Beiträge, die dem Anspruch einer derzeit umfassenden modernen Enzyklopädie zur Geschichte und Theorie der Kunst in dieser Weise nicht nachkommt.

Rezension über:

Harald Olbrich (Hg.): Lexikon der Kunst. Architektur, Bildende Kunst, Angewandte Kunst, Industrie-Formgestaltung, Kunsttheorie. 17.000 Artikel. Begr. v. Gerhard Strauß, Berlin: Directmedia Publishing 2001, ISBN 978-3-89856-143-3, EUR 129,90

Rezension von:
Markus Paulußen
Universität Bielefeld
Empfohlene Zitierweise:
Markus Paulußen: Rezension von: Harald Olbrich (Hg.): Lexikon der Kunst. Architektur, Bildende Kunst, Angewandte Kunst, Industrie-Formgestaltung, Kunsttheorie. 17.000 Artikel. Begr. v. Gerhard Strauß, Berlin: Directmedia Publishing 2001, in: sehepunkte 2 (2002), Nr. 1 [15.01.2002], URL: https://www.sehepunkte.de/2002/01/3460.html


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